Algen brauchen keine fruchtbaren Äcker zum Wachsen, daher eignen sie sich als Rohstoff für die Bioenergie. Doch rentabel ist die Technik noch nicht. Stuttgarter Forscher suchen nach der richtigen Rezeptur.

Stuttgart - Algen sind reich an Fettsäuren, Vitaminen und Kohlenhydraten. Deswegen werden sie – vom Verbraucher meist unbemerkt – als Zusätze in der Küche oder in Kosmetika eingesetzt. Doch sie können noch mehr: Wegen ihres hohen Fettgehaltes sollen Mikroalgen zukünftig Biosprit liefern. „Mikroalgen funktionieren wie kleine Kraftwerke“, sagt Christine Rösch vom Institut für Technikfolgenabschätzung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Denn sie nehmen große Mengen Kohlendioxid auf, wandeln es mit Hilfe des Sonnenlichts in chemische Energie um und geben Sauerstoff ab. Dabei entsteht neben Zucker und Stärke auch Öl. Einige Algenarten wandeln bis zu 77 Prozent ihrer Biomasse in Öl um.

 

„Im Augenblick werden Biokraftstoffe vorwiegend aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt“, sagt Ronja Münkel vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart. Dies habe, so die Ingenieurin, erhebliche Nachteile: „In Südostasien werden Regenwälder für Ölplantagen gerodet und Ackerflächen fallen weg.“ Gegenüber Mais, Zuckerrohr und Raps hätten Algen für die Ölproduktion hingegen Vorteile: „Weil sie keinen fruchtbaren Boden brauchen, in öden Gegenden gedeihen und in Salz- und Abwasser überleben, konkurrieren sie nicht mit Lebensmitteln um Ackerflächen“, sagt Münkel. Sie sind anspruchslos, wachsen schnell und sind deshalb als nachwachsender Rohstoff attraktiv. Wissenschaftler räumen ihnen ein großes Potenzial ein.

Im Labor wächst die Grünalge schon sehr gut

Doch gibt es viele Hindernisse auf dem Weg zum marktreifen Einsatz – und die Forschung dazu läuft. Allein im Bereich Energie aus Algen fördert die EU Projekte mit insgesamt 33,6 Millionen Euro und das Bundesministerium für Bildung und Forschung steuert noch einmal 14 Millionen bei. Die meisten Projekte laufen über fünf Jahre bis zum Jahr 2016. Hinzu kommen noch die Gelder, mit denen Unternehmen Algenprojekte finanzieren oder auf eigene Kosten selbst forschen.

Da jede Alge andere besondere Eigenschaften hat, muss zuerst die richtige Sorte gefunden werden. Das ist gar nicht einfach: Forscher gehen davon aus, dass es mehr als 400.000 Algenarten auf der Welt gibt. Nur etwa 20 Prozent davon sind bis heute bekannt. Die einen Algen wachsen schnell, liefern dafür wenig Öl. Andere produzieren viel Öl, enthalten aber viel Silizium, das den weiteren Verarbeitungsprozess stört. Grünalgen lassen sich wiederum gut verarbeiten, wachsen aber nur langsam.

„Voraussetzung für eine wirtschaftliche Nutzung ist ein hoher Lipidgehalt“, sagt Ronja Münkel. Doch nicht alle Fette seien gleichermaßen günstig. Schlecht seien ungesättigte Fettsäuren, weil das Öl dann schneller vergammelt. Am IGB hat man für ein Forschungsprojekt die kugelförmige Grünalge Chlorella vulgaris gewählt. Im Labor hat man mit ihr bereits einen stattlichen Lipidgehalt von 70 Prozent erreicht. Seit zwei Jahren wird sie nun im Freiland getestet. „Wir wollten wissen, wie der Fettgehalt auf Temperatur- und Lichtschwankungen reagiert“, sagt Münkel. Hier sei man bisher auf einen Lipidgehalt von 45 Prozent gekommen. Das kann sich durchaus mit Raps und Sonnenblume messen.

An vielen Stellschrauben wird gedreht

Um das Öl wirtschaftlich produzieren zu können, wird nach den richtigen Wachstumsbedingungen gesucht. Die Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen setzen auf offene Becken in sonniger Umgebung – genauer gesagt in Südspanien. „Unsere Mikroalgen wachsen in Abwasserbecken und reinigen die Abwässer einer angrenzenden Gemeinde“, erklärt die Fraunhofer-Forscherin Anna Grevé. Nach der Ernte werden Algen getrocknet, das Öl gewonnen und zu Biodiesel verarbeitet. Die restliche Biomasse produziert in einer Biogasanlage Methan als Kraftstoff für Autos.

„Aus einem Kilo Algen gewinnen wir in etwa 200 Gramm Öl“, so Grevé. Das fünfjährige Projekt, das mit 7,1 Millionen Euro gefördert wird, will neben der Abwasserreinigung pro Jahr 200 Autos mit Biodiesel und ebenso viele mit Biogas versorgen. Bis 2016 wird untersucht, ob sich das Vorhaben energetisch und wirtschaftlich rechnet.

In Stuttgart setzt man auf ein neues Verfahren

Bevor es zu Biodiesel verarbeitet wird, muss das Öl untersucht werden. „Zu viel Phosphor schadet den Einspritzdüsen“, sagt Grevé. Auch in diesem Bereich gibt es noch Forschungsbedarf, denn der entstehende Treibstoff hat oft einen zu hohen Sauerstoffgehalt und fließt bei niedrigen Temperaturen nicht gut. Das Ziel ist, die richtige Kombination der vielen Faktoren zu finden. „Verändert man Wachstumsfaktoren, Temperatur, Nährstoffgehalt und Sonneneinstrahlung, ändert sich auch die Zusammensetzung des Öls“, so Grevé.

Rund 90 Prozent der Algenbiomasse wird weltweit in offenen Becken produziert. Das ist kostengünstiger, hat aber auch Nachteile: Das Wasser verdunstet, der Teich wird immer salziger, es drohen Verunreinigungen. Eine andere Möglichkeit, um Algen zu kultivieren, sind geschlossene Bioreaktoren. Beim IGB in Stuttgart setzt man auf einen eigens konstruierten 30-Liter-Flachplatten-Airlift-Reaktor, so die vollständige Bezeichnung. Das ist im Prinzip ein geschlossener stehender Plastikbehälter. Kohlendioxid wird eingeblasen und durchmischt die Lösung. „Auf diese Weise wird jede einzelne Algenzelle optimal ernährt und mit Licht versorgt“, sagt Münkel. Doch diese gute Pflege kostet Energie. „Bislang rechnet es sich für die schönen Tage“. Auch am KIT in Karlsruhe suchen die Forscher nach Verfahren, die sich lohnen. „Wir wollen die effizientesten Prozessketten ermitteln“, sagt Christine Rösch. Dabei stehe nicht allein die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, Umwelt und soziale Aspekte würden gleichrangig behandelt. 19 Partner aus acht europäischen Ländern bündeln ihre Kompetenzen in diesem 14 Millionen Euro schweren Forschungsprojekt und tragen ihr Wissen zusammen.

Wie sehr die Kultivierung der Algen noch optimiert werden muss, zeigen die Preise: Ein Liter Algensprit kostet derzeit rund 50 Euro, die Tankfüllung für einen Kleinwagen kommt damit auf etwa 2000 Euro. Die größte Hürde auf dem Weg scheint der Sprung von der wissenschaftlichen Forschung in die praktische Anwendung zu sein: Im Freien verhalten sich Algen dann doch nicht so wie im Labor.

Auch Algen können – ganz menschlich – Fett ansetzen

Fotosynthese:
Bei der Fotosynthese entsteht im Blattgrün (Chlorophyll) aus Kohlenstoffdioxid und Wasser Zucker und Sauerstoff. Dafür wird Licht benötigt, ebenso CO2, Wasser, Phosphat und Stickstoff. Wird die Alge von der Nährstoffversorgung abgeschnitten, kann sie sich nicht mehr teilen. Sie setzt nun die Energie des Sonnenlichts, die sie nicht mehr verwerten kann, als Fett an. So lassen sich Fettsäuren herstellen, die dann zur Ölherstellung verwendet werden.

Politische Ziele:
Bis zum Jahr 2020 will die Europäische Union wenigstens zehn Prozent des Treibstoffes aus erneuerbaren Energien beziehen – vor allem aus Biomasse. Durch Zumischung beispielsweise von Bioethanol zum konventionellen Kraftstoff möchte die EU die Treibhausgasemissionen bis 2018 um 60 Prozent senken. Der Grundgedanke ist, dass die ökologischen Folgen durch den Anbau von Energiepflanzen gering ausfallen und die Vorteile überwiegen. Problematisch wird der Ansatz, wenn mehr Biomasse geerntet und verbrannt wird, als nachwächst. Zudem benötigen einige Verfahren, die Biomasse zu Bioethanol, Biodiesel oder Biogas umwandeln, momentan noch viel Energie. Für die Massenproduktion sind Algen als alternative Treibstoffproduzenten mit den gegenwärtigen Techniken noch unwirtschaftlich.