SAP-Gründer Dietmar Hopp stellt 800 Millionen Euro zur Unterstützung junger Unternehmen im Bereich Biotechnologie bereit.

Tübingen - Wer unterstützt junge Unternehmen im Bereich Biotechnologie mehr – ein privater Investor oder das Land Baden-Württemberg? Die Antwort auf diese Frage hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) „schon schockiert“, wie er sich ausdrückte. Vier Millionen Euro stellt das Land derzeit als Kapital bereit, der Privatinvestor 800 Millionen Euro. „Da stimmt die Größenordnung nicht“, bekannte Kretschmann am Ende eines für ihn „sehr erkenntnisreichen Vormittags“.

 

Am Freitagvormittag besuchte der Ministerpräsident in Tübingen aufstrebende Biotechnologie-Unternehmen. Und zum Besucherkreis gehörte auch Dietmar Hopp, bekannt als SAP-Gründer und Förderer der Bundesligamannschaft 1899 Hoffenheim. Der Fußballfreund Kretschmann wusste freilich nicht viel über ein weiteres Engagement des Badeners. Dietmar Hopp unterstützt seit rund zehn Jahren Biotechnologie-Unternehmen. Das kann Gewinne bringen und schafft spezialisierte Arbeitsplätze, ist aber auch mit einem hohen Risiko verbunden. Denn manche glänzende Perspektive endet in einem dunklen Firmenkapitel, das Pleite heißt. Kretschmann dazu: „Von zehn Ansätzen sind zwei erfolgreich, acht nicht.“ Dietmar Hopp nickte bei diesen Sätzen.

Dietmar Hopp nennt Zahlen

Den meisten „Ansätzen“ ist gemein, dass sie bei der Forschung viel Geld benötigen. Und das kann Hopp bereitstellen. „Mir sagt man nach, ein Milliardär zu sein“, sagte er in Tübingen mit leichtem Lächeln. 16 junge Unternehmen unterstützt Hopp und bedauert, dass es außer ihm nur einen zweiten Kapitalgeber ähnlicher Größe für diese Unternehmen gibt. Dabei spielt er auf die Brüder Thomas und Andreas Sprüngmann an, die im Jahr 2005 ihr Pharmaunternehmen Hexal für 5,6 Milliarden Euro veräußert haben. In Tübingen nannte auch Hopp Zahlen. Ursprünglich habe er junge Firmen im Bereich der Biotechnologie mit 500 Millionen Euro unterstützen wollen, „jetzt kann ich ein Commitment über 800 Millionen geben“, sagt er, dafür steht er also gerade.

Hopp geht von einem langfristigen Engagement aus und bezieht seine Nachkommen dabei mit ein. Die Unterstützung läuft über die Dievini Hopp Biotech Holding, bei der auch Dietmar Hopps Bruder Rüdiger und sein Sohn Oliver mitmachen.

Zu Dievini gehört laut Hopp ein „Netzwerk mit Experten in aller Welt“, die nach hoffnungsvollen Firmen Ausschau halten. „Zwei Perlen haben wir in Tübingen“, sagt Dietmar Hopp und meint damit die Unternehmen Curevac und Immatics biotechnologies. Beide haben Räume in einem Gebäude im Tübinger Stadtteil Waldhäuser-Ost bezogen, das zum Technologiepark Tübingen-Reutlingen (TTR) gehört.

Immunsystem erhält „Lizenz zum Töten“

Ein Immatics-Impfstoff zur Bekämpfung von Nierenzellkrebs soll laut dem Firmenchef Harpreet Singh in drei Jahren auf dem Markt eingeführt werden. Derzeit wird im Rahmen einer weltweiten Studie mit 330 erkrankten Patienten dessen Leben verlängernde Wirkung überprüft. Das Medikament basiert auf einem neuen Prinzip der Krebstherapie, das auf Forschungen des Tübinger Professors Hans-Georg Rammensee zurückgeht. Dabei werden kleine Eiweiße an den Krebszellen erkannt, vermehrt und den Killerzellen in den Lymphknoten als Ziel vorgehalten. „Wie ein immunologischer Steckbrief, der dem Sheriff präsentiert wird, das Immunsystem erhält die Lizenz zum Töten“, beschreibt Singh den anschließenden Kampf gegen Krebszellen. Der Geschäftsführer spricht von einer „weltweit einzigartigen Technologie“. Das bestätigt Professor Rammensee, der seit 1979 auf diesem Gebiet forscht, umgehend.

Winfried Kretschmann nahm von diesem Vormittag in Tübingen mit, dass das Land mehr für die Technologieförderung tun sollte. „Ich habe Impulse für weitere Gespräche erhalten“, sagt der Politiker. Und er hat mit Dietmar Hopp über steuerrechtliche Hürden für die jungen Unternehmer diskutiert, beispielsweise hinsichtlich des Vorsteuerabzugs. In diesem Bereich sieht Hopp Investitionshemmnisse für Geldgeber. Der Ministerpräsident kam aber auch nicht mit leeren Händen nach Tübingen, sondern verkündete, dass die L-Bank für gut zehn Millionen Euro einen weiteren 4000-Quadratmeter-Bau auf dem Tübinger Teil des Technologieparks errichten wird.

Es geht um Menschheitsfragen

Dessen Start im Jahr 2003 fiel verhalten aus. Weil die Entwicklung der Biotechnologiebranche ins Stocken geraten war, mussten Tübingen und Reutlingen zehn Millionen Euro an Garantiemiete für leer stehende Räume an den Bauherren L-Bank überweisen. Inzwischen werden alle Gebäude gut genutzt und Tübingens OB Boris Palmer braucht sich über Mietübernahmen im avisierten Neubau keine Sorgen zu machen. Einmal, weil er von der Zukunft der Branche überzeugt ist, und erst recht, weil die L-Bank bei diesem Bau das Mietrisiko selbst trägt. Kretschmann brachte die Bedeutung der Forschung auf den Punkt: „Es geht hier um Menschheitsfragen!“