Hacker haben die Konten von Kunden geknackt und 120 000 Bitcoins entwendet. Wer für den Schaden aufkommt, ist offen.

Stuttgart - Auch am Donnerstag hat die Internet-Tauschbörse Bitfinex, die auf die Kunstwährung Bitcoin spezialisiert ist, noch keine Entwarnung geben können: Auf der Website des Unternehmens mit Sitz in Hongkong steht noch immer die Meldung vom Vortag, dass sich Bitfinex zunächst einmal bemühe, das Computersystem in beschränktem Umfang wieder zum Laufen zu bringen: „Der erste Schritt besteht darin, dass sich unsere Nutzer einloggen und den Stand ihrer Konten einsehen können“, heißt es. Der Handel mit Bitcoins ist ausgesetzt und soll erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder möglich sein.

 

Der Schaden liegt bei fast 70 Millionen Dollar

Bitfinex ist in dieser Woche Opfer eines Hackerangriffs geworden. Die Börse gilt als Marktführer im Handel zwischen Dollars und Bitcoins und wickelt nach Schätzungen etwa ein Drittel des Dollar-Bitcoin-Volumens weltweit ab. Bitfinex hat zunächst von einem Sicherheitsproblem gesprochen, aufgrund dessen der Handel habe unterbrochen werden müssen, zugleich aber eingeräumt, dass Kunden bestohlen worden sind. Nach einem Bericht der Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg geht es um knapp 120 000 Bitcoins. Dies hat den Kurs der geheimnisumrankten Kunstwährung sofort in den Keller geschickt. Der Preis brach bis auf 482 Dollar gegenüber 604 Dollar bei Schließung der Börse ein. Mittlerweile hat sich der Kurs aber erholt. Am Donnerstagmittag hat eine Bitcoin schon wieder 572 Dollar gekostet. Zu diesem Kurs haben die entwendeten Bitcoins einen Wert von 69 Millionen Dollar (61 Millionen Euro). Wer für den Schaden aufkommen muss, ist noch nicht geklärt. Bitfinex spricht von individuellen Kunden-Guthaben, die gestohlen worden seien. Ob dies ein Hinweis darauf ist, dass die Verluste auf die Kunden abgewälzt werden sollen, ist offen. Bitfinex selbst ist zwar versichert, aber nur mit einer geringen Schadenssumme (250 000 Dollar). Ob die Versicherung überhaupt bereit ist zu zahlen, ist unsicher.

Die Digitalwährung selbst gilt als sicher

Bitcoin-Tauschbörsen und die elektronischen Brieftaschen (Wallets) sind schon häufiger Ziel von Hackerattacken gewesen. Der spektakulärste Fall war der Angriff auf die japanische Börse Mt. Gox, die nach dem Diebstahl von 850 000 Bitcoins im Februar 2014 pleite ging und den Betrieb einstellte. Zum aktuellen Kurs beläuft sich der Schaden im Fall Mt. Gox auf 486 Millionen Dollar (434 Millionen Euro).

Im Gegensatz zu Handelsplätzen wie Mt. Gox und Bitfinex gilt die Digitalwährung selbst, die seit 2009 in Umlauf ist, als sicher. Anders als traditionelle Währungen, die von Zentralbanken ausgegeben werden, ist die Bitcoin eine dezentrale Währung. Sie wird auf den Computern der Nutzer, die zusammen ein Netzwerk bilden, erzeugt (Mining) und von ihnen kontrolliert; das Netzwerk übernimmt die Rolle der Notenbank.

Möglich gemacht wird dies durch die Blockchain-Technik, die durch die einst sehr populären Musik-Tauschbörsen im Internet bekannt geworden ist: Nutzer treten direkt in Kontakt zueinander, ohne Einschaltung eines Mittelsmannes oder Kontrolleurs. Die Blockchain speichert jede Transaktion in verschlüsselter Form und bildet dabei eine Kette: Neue Informationen werden an die alten Daten angehängt, sodass ein Unikat entsteht. Alle Mitglieder des Netzwerks verfügen in Kopie über alle Dateien und werden bei Transaktionen um Erlaubnis gefragt. Bitcoins werden vorrangig im Onlinehandel als Zahlungsmittel akzeptiert, zunehmend jedoch auch in Läden und Restaurants (www.coinmap.org). Seit dem 1. Juli können in der Stadt Zug in der Schweiz Gebühren mit Bitcoins bezahlt werden.

Die Blockchain-Technik löst Euphorie aus

Die Kryptowährung Bitcoin ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. „Bitcoins sind kein Zahlungsmittel, sondern ein hoch spekulatives Finanzinstrument“, hat Bundesbank-Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele zum Beispiel im März 2014 gesagt. Unabhängig davon findet aber die dahinter liegende Blockchain-Technik immer mehr Anhänger. So beschäftigt sich die gesamte Finanzdienstleistungsbranche mit der Frage, ob durch die Nutzung der Blockchain nicht geschäftliche Abläufe aller Art, vom Zahlungsverkehr bis zum Wertpapierhandel, dezentralisiert werden können, so dass sie einfacher und kostengünstiger werden. Der US-Konzern IBM vertritt in einer Studie die Ansicht, dass die Blockchain-Technik das Potenzial hat, Geschäftsprozesse in Unternehmen – unabhängig von der Branche – ebenso wie Volkswirtschaften radikal zu verändern.