Einen Song kann man nicht an die Wand hängen“, sagt Björk. Trotzdem widmet das Museum of Modern Art der isländischen Sängerin und Multimedia-Künstlerin jetzt eine große monografische Schau.

New York - Das New Yorker Museum of Modern Art hat in den vergangenen Jahren immer wieder am Begriff des Kunstmuseums gekratzt. Man hat die Lobby in eine Bühne für Kraftwerk-Konzerte verwandelt, man hat Marina Abramovic ins Foyer gesetzt, um Besuchern in die Augen zu starren. Man hat Martha Rosler einen Flohmarkt im Museum abhalten lassen, und man sammelt seit einiger Zeit fleißig Video-Spiele und Apps.  Nun also Björk. Seit dem vergangenen Wochenende zeigt das MoMA eine Werkschau der isländischen Pop-Ikone und Multimedia-Künstlerin. Es soll der Blockbuster des Frühjahrs werden, die Show, von der alle sprechen und die noch mehr Besucher in die ohnehin dauerverstopften Hallen an der 53. Straße lockt.

 

  Die Ausstellung ist ein langgehegter Traum des MoMA-Kurators Klaus Biesenbach, der am PS 1, dem Ableger des Museums in Queens, seit langem die Performance fördert und sich leidenschaftlich müht, die einst strengen Grenzen zwischen hoher Museumskultur und Pop aufzuweichen, wenn nicht sogar einzureißen. Bei so einem steht jemand   wie Björk natürlich ganz oben auf der Liste – eine Künstlerin, deren Schaffen die abgenutzten Abgrenzungen sprengt.

  Dennoch hat es lange gedauert, bis Biesenbach die Isländerin in das MoMA locken konnte. Schon seit dem Jahr 2000, berichtete er bei der Eröffnung, habe er Björk gewinnen wollen. Sie habe sich aber nicht reif für eine Werkschau gefühlt, sagte die Künstlerin in einem Interview vor der Eröffnung. Außerdem habe sie sich nicht vorstellen können, wie so eine Ausstellung aussehen solle. „Ich meine, man kann einen Song ja nicht an die Wand hängen.“   Nun hat sie aber doch eingewilligt, „für die Frauen und für den Sound“, wie sie sagt.

Man wandert durch katge Landschaft

Kernstück der Schau ist tatsächlich eine Retrospektive, auch wenn Björk und Biesenbach sich Mühe gegeben haben, aus der Präsentation ein neues, eigenes Werk zu machen.  Der Besucher wird per interaktiver App durch eine Traum- und Erlebnislandschaft geführt, die sich an den ersten sieben Alben von Björk orientiert. Über den Kopfhörer des Audioguides spricht der isländische Schriftsteller Sjön   die lyrischen Geschichte einer imaginären Figur, einer Art Björk-Avatar. Man wandelt durch Sets, eine karge isländische Landschaft, das berühmte Video zu „Big Time Sensuality“, in dem Björk auf einem Lastwagen durch New York fährt, oder ein 3-D Video, in dem Björks eingescannter Kopf durch das Weltall schwebt.

„Sie wurde eins mit der Materie und dem Augenblick“, sagt die Stimme, „und kam dann zurück zur Erde, um all das nachzubilden, mit Hilfe von Technik und Dichtung und ihrem Notizblock.“ Statt anhand von Daten und Fakten, Kostümen und anderen Artefakten durch Björks Biografie geführt zu werden, wandelt man durch eine literarisierte Nacherzählung ihrer intellektuellen, spirituellen und kreativen Entwicklung. Das ist interessant. Dass es, wie der Museumsdirektor Glen Lowry bei der Eröffnung schwärmte, „das Museum verändert, scheint aber ein wenig übertrieben.   Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass ein Museum einen multimedialen Erlebnisraum schafft, um das Werk eines Künstlers zu vermitteln. Man denke nur an die Show für den Modedesigner Alexander McQueen am Metropolitan Museum, dessen berühmtes Glockenkleid für Björk auch am MoMA zu sehen ist.  

Auch der Rest der Ausstellung ist nicht so innovativ wie sie gern sein möchte. Im Foyer sind Björks Instrumente zu sehen, die „Graity Harp“ zum Beispiel, die sie mit einem MIT-Roboter-Experten gebaut hat, oder die „Sharpsicord“ von Henry Dagg. Beide wurden bereits im Museum of Science and Industry in Manchester gezeigt.   In einem Videoraum kann sich der Besucher dann in überdimensionierte Polster sinken lassen und sich nach Herzenslust in das Musik-Video-Werk von Björk vertiefen.

Sehr persönliche Trauer

Nebenan ist, als Höhe- und Endpunkt der Ausstellung, schließlich die eigens für das MoMA produzierte 3D-Video-Installation „Black Lake“ zu dem gleichnamigen zehnminütigen Song von ihrem jüngsten Album „Vulnicura“ zu sehen – einer sehr persönlichen Trauer um die gescheiterte Ehe mit dem Videokünstler Matthew Barney.     Am Ende wirkt das Alles weniger revolutionär als durchaus passend. Es gibt keinen Zweifel, dass eine innovative Künstlerin wie Björk, die über Medien und Genres hinweg arbeitet, ihren Platz im Museum verdient hat. Wer wollte schließlich behaupten, dass etwa Cindy Sherman eine Werkschau am MoMA verdient hat und Björk nicht? Der Begriff dessen, was in eine Einrichtung wie das MoMA gehört und was nicht, ist schon viel weiter, als selbst Biesenbach und Lowry das vielleicht wahrhaben wollen.