Christina Kuhnle ist seit ihrer Geburt blind, aber sie fährt mit Begeisterung Ski. In ihrem Verein hat sie speziell geschulte Begleitfahrer und ist bei den Stadtmeisterschaften im Riesenslalom erfolgreich ins Ziel gekommen.

Weinstadt - Geht, geht, geht – und hopp“, lautstark schallen die Kommandos über die Skipiste in Riefensberg-Hochlitten im Bregenzer Wald. Den Lautsprecher, aus dem die Anweisungen kommen, trägt Jürgen Fischer von der Skizunft Endersbach auf dem Rücken, die Adressatin ist Christina Kuhnle. Die 13-Jährige ist seit ihrer Geburt weitgehend blind. Aber sie fährt seit fünf Jahren Ski. Und entsprechend der Kommandos umkurvt sie bei den zum Ausklang der Skisaison veranstalteten Meisterschaften des Vereins die Riesenslalomstangen. „Geht“ – das heißt für Christina geradeaus fahren, „und hopp“ ist die Anweisung für die Kurve talwärts.

 

Der Kommandokatalog ist übersichtlich. Nur noch ein drittes Wort ist da verzeichnet: „Halt“ heißt dieses einfach, und da ist die Bedeutung klar. Beim Skirennen hat Christinas Begleitfahrer die Jugendliche wieder mal erfolgreich ins Ziel gelotst. Drei Urkunden hat die beim Pistenflitzen ausschließlich auf ihr Gehör angewiesene blinde Weinstädter Skifahrerin so schon eingeheimst.

In Franken gibt es einen Kurs für Begleitfahrer

Blindenskifahren, das ist ein Angebot, das im Club extra für Christina Kuhnle eingerichtet worden ist. Neuerdings hat sie sogar sogenannte Begleitfahrer mit einem entsprechenden Zertifikat. Um die Anleitung für das sichtlose Vergnügen im Schnee zu bekommen, sind der Sportlehrer Jürgen Fischer und Christinas Mutter Judith im November extra zu einem Spezialkurs des in Franken beheimateten SV Kareth-Lappendorf gefahren. Dessen Skiabteilung hat nicht nur die Zusatzbezeichnung „mit Blind- und Sehbehinderten-Skifahren“, sie ist auch die einzige in ganz Deutschland, die diese in Österreich entwickelten 20-stündigen Kurse für Begleitfahrer anbietet.

Wie sie denn auf die Idee gekommen sei Skifahren zu lernen, bei dieser Frage lacht Christina. „Ich glaub’, ich habe zu viel Conny gehört“, meint sie. „Conny lernt Skifahren“ hat das Hörspiel geheißen, das vor gut fünf Jahren zu ihren Lieblingsstücken gehörte. Sie habe also den Beschluss gefasst, das auszuprobieren. Und bei der Skizunft haben sie dann improvisiert. Sich hier Tipps geholt, dort einen Aufsatz aus den USA zum dem Thema aufgetrieben. Im Frühjahr 2008 war es soweit: Bei der Skizunftausfahrt hat Christina ihre ersten Steh- und Rutschversuche auf den Brettern gemacht. „Und ich bin gleich aus dem Schlepplift rausgeflogen“, erinnert sie sich.

Erste Fahrversuche quasi an der Leine

Den Spaß am weißen Sport hat ihr das nicht genommen. Mit dem „Gschirrle“ folgten im Jahr darauf die nächsten Übungen im Pflug- und Kurvenfahren. Mit Brustgeschirr und angeleint, das war schon ein bissle seltsam, erinnert sich die junge Sportlerin schmunzelnd: „Ich hab’ gefragt, ob ich vielleicht auch noch bellen soll.“ Im nächsten Winter wurde das Brustgeschirr dann durch eine spezielle, gebogene Stange ersetzt, mit der Jürgen Fischer seine blinde Skischülerin versetzt fahrend dirigiert hat.

Im Schwarzwald ist Christina schließlich mit der Mutter zum ersten Mal frei die Piste hinunter gefahren. Nach Gehör – „ich hab da halt den ganzen Tag geschlabbert“, erzählt Judith Kuhnle.

Das Ausmaß, in dem sich Blinde mittels des Hörens orientieren können, sei faszinierend, sagt dazu Jürgen Fischer. „Ihr räumliches Hören ist extrem ausgeprägt.“ Genau dies nutzt die in Österreich entwickelte Methode mit dem vorausfahrenden quasi tonangebenden Begleiter . Schwierig sei das Timing, denn zwischen Befehl und Ausführung liege immer eine gewisse Zeitspanne. Da sei es wichtig, dass sein Schützling lerne, wann nach dem Kommando die Kurve folgen muss. Ob sich dabei die Distanz zum Begleiter vergrößert oder verringert, hört Christina, weil relativ zügig das nächste „geht“ eben auch zur räumlichen Orientierung folgen muss.

Christina wiederum ist fest entschlossen, mit dem Skifahren weiter zu machen. Am liebsten wäre sie in den Osterferien zu einer Freizeit mit, hatte aber keinen Begleitfahrer zur Verfügung. So bleibt in der aktuellen Skisaison höchstens noch die Abschlussausfahrt der Skizunft Ende April.