Der Blogger Sergej Tichanowski wollte bei der Wahl gegen Langzeitmachthaber Alexander Lukaschenko antreten. Doch er wurde vor über einem Jahr verhaftet. Nun beginnt der Gerichtsprozess.

Gomel - Mehr als ein Jahr nach seiner Festnahme hat in Belarus der Prozess gegen den Blogger Sergej Tichanowski begonnen, der bei der Präsidentenwahl gegen Machthaber Alexander Lukaschenko kandidieren wollte. Das Gericht tage unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Stadt Gomel im Westen des Landes, schrieb dessen Ehefrau Swetlana Tichanowskaja am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram. Neben dem Blogger seien fünf weitere Männer angeklagt. Tichanowski wird etwa die Organisation von Massenunruhen vorgeworfen.

 

Egal, welches Urteil gesprochen werde, „jeder versteht, dass es sich nicht um einen Prozess handelt, sondern um die persönliche Rache und Vergeltung desjenigen, der mit Gewalt die Macht ergriffen hat“, schrieb die im EU-Ausland lebende Bürgerrechtlerin.

Tichanowski wollte kandidieren

Tichanowski war Ende Mai vergangenen Jahres beim Sammeln von Unterschriften für seine Kandidatur festgenommen worden. „Seitdem hat sich das Leben unserer Familie - wie das von Tausenden belarussischer Familien - stark verändert“, meinte Tichanowskaja. Ihre Tochter habe sie gefragt: „Mama, ist Papa wirklich nicht tot?“

Nach der weithin als gefälscht geltenden Präsidentenwahl vor etwa zehn Monaten hatten zeitweise Hunderttausende Menschen gegen Langzeitmachthaber Lukaschenko protestiert. Zehntausende Menschen wurden vorübergehend festgenommen, Hunderte wurden verletzt, mehrere getötet. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit bestätigen lassen. Laut Menschenrechtlern sind in Belarus viele Menschen aus politischen Gründen inhaftiert.