Johannes Lochner ist Vizeweltmeister im Zweierbob – und deshalb der ganze Stolz des Clubs Stuttgart Solitude. Der 25-Jährige ist das Aushängeschild des Vereins.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Roland Bosch befindet sich am Montagmorgen noch ganz im Glück. Er ist der Geschäftsführer des Bob-Clubs Stuttgart Solitude. Bosch und drei Dutzend Mitglieder des Vereins sind am Sonntagabend zurückgekehrt aus Innsbruck-Igls, wo die WM im Zweierbob stattfand – und ordentlich gejubelt wurde. Nun hat das Schloss Solitude, nach dem die altehrwürdige Formel-1- und Motorrad-Rennstrecke benannt wird, herzlich wenig zu tun mit Bobsport, weil es weit und breit keine Eisrinne gibt. Dafür aber stellt dieser illustre und feierfreudige Bobverein, der auf Schloss Solitude erst 2013 gegründet wurde, den Vizeweltmeister 2016. Keine Frage also: hoch die Tassen.

 

Dieser Vizeweltmeister heißt Johannes Lochner, ist 25 Jahre alt und ein Versprechen für die Zukunft. „Wenn ich unten ankomme und die Jungs vom Club im Zielraum durchdrehen, dann ist das prima“, sagt der Bobfahrer und lobt die Stimmung innerhalb seiner Gefolgschaft. Zwischen Spaßclub und sportlich hoch ambitionierter Truppe besteht der Stuttgarter Verein aus 53 Mitgliedern, sieben von ihnen sind Aktive – und Lochner ist derzeit das große Aushängeschild. Der Vizetitel mit seinem Anschieber Joshua Bluhm kam auch nicht von ungefähr: Beide sind auf den ersten Metern bärenstark. „Sie sind beim Anschieben richtige Granaten“, sagt Bosch.

Der zweite Wettkampftag kostet Gold

Doch die Kraft beim Anschieben allein macht noch keinen Champion, Roland Bosch weiß das, und Johannes Lochner auch. „Mit der Silbermedaille bin ich zufrieden“, sagt der Pilot, der Start sei mal wieder „tiptop“ gewesen. Dann aber sind am zweiten Wettkampftag in den Läufen drei und vier Dinge passiert, die den Traum vom Titel platzen ließen. Am Sonntag wurde es wärmer, und so glaubte Lochner, die falschen Kufen montiert zu haben. In der Rinne hatten sich dazu dann kleinere Fehler eingeschlichen, die am Ende zum zweiten Platz führten – und nicht zur erhofften Goldmedaille.

Dennoch überwiegt beim Solitude-Club dieser Tage natürlich die Freude über Silber. Der junge Verein, der aus einer Bierlaune großer Bobfans heraus vor fünf Jahren gegründet wurde, unterstützte schon die Olympiasiegerin und Weltmeisterin Sandra Kiriasis als Vereinsmitglied. Sie wollte sich bei den Schwaben für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi fit machen , ging dann aber leer aus. Sie weinte bittere Tränen – und verabschiedete sich mit dem fünften Platz in den Ruhestand.

Nun konzentriert sich der Stuttgarter Club vor allem auf Johannes Lochner. In Berchtesgaden geboren, trainiert er auf der Bobbahn am Königssee, nur ab und zu lässt er sich in Stuttgart blicken. Dort absolviert er kleinere Trainingslager und nutzt die Angebote des Olympiastützpunkts Stuttgart. Ansonsten verbindet den Bayern mit der baden-württembergischen Landeshauptstadt nur, dass er dem Solitude-Club angehört und sich von dem Verein beraten und betreuen lässt. „Die machen das wirklich gut, ich fühle mich wohl“, sagt er über die Vereinsmitglieder, die sich als „Freunde des gepflegten Bobsports“ verstehen.

Nächste Chance am Wochenende im Viererbob

Eines Tages kamen sie auf Lochner zu. „Sie wollten einen Nachwuchsmann haben“, erinnert sich der Pilot. Der 25-Jährige übt den Bobsport erst seit fünf Jahren aus, weil er merkte, dass er als 1,90 großer Sportler mit einem Gewicht von 95 Kilo ideale Voraussetzungen für das Anschieben besitzt. Von ähnlich beeindruckender Statur ist sein Hintermann Joshua Bluhm, ein Kraftpaket aus dem Schwarzwald. Die beiden begeistern auch den Bundestrainer Christoph Langen. „Sie sind wirklich große Hoffnungsträger“, sagt Bosch, auch Langen habe das sofort erkannt.

Für die WM hat sich das Gespann durch starke Leistungen empfohlen. Am kommenden Wochenende findet Teil zwei der Titelkämpfe statt. Lochner wird sich dann im Viererbob in die Eisbahn von Innbruck-Igls stürzen. Das ist noch nicht seine Paradedisziplin, es fehlt ihm an Erfahrung – ein fünfter Platz wäre daher schon ein überragendes Ergebnis. Doch beflügelt vom Vizetitel im Zweier könnte durchaus etwas mehr drin sein – hoffen die Stuttgarter.

Wie es auch ausgeht: „Der Vierer ist schöner zu fahren, weil er schwerer ist und deshalb richtig gut in der Bahn liegt“, sagt Lochner, der auf die komplette Unterstützung des Solitude-Clubs am nächsten Samstag allerdings verzichten muss. Die meisten Mitglieder müssten irgendwann ja auch arbeiten und könnten nicht schon wieder ein verlängertes Wochenende in Innsbruck verbringen, sagt Bosch. Eine kleinere nimmermüde Gruppe wird trotzdem dabei sein. Sie wird für die gewohnte familiäre Atmosphäre sorgen, die Lochner immer so antreibt und für eine „überragende Stimmung“ sorgt. Doch egal, was Johannes Lochner im Vierer erreicht: Auch die daheim gebliebenen Stuttgarter werden in ihren Wohnstuben kräftig feiern. Denn die „Bobhochburg“ Solitude ist schon jetzt ziemlich stolz auf ihre Granate in der Eisrinne – und natürlich auch auf sich selbst.