Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)
Trotzdem ist Thüringer Parteifreunden Ihr Glaube teilweise regelrecht suspekt.
Ich bin eine Provokation – mal für die Kirche, mal für meine Partei. Als ich in die PDS eingetreten bin, blieb der Platz in der Kirchenbank neben mir eine Weile leer.
Viele Linke sind kirchenkritisch, manche offen glaubensfeindlich.
Im Osten ist das vielleicht manchmal so. Im Westen ist die Linke nicht so glaubensfern, wie unterstellt wird. Viele Linke sind seit Jahren regelmäßig beim Kirchentag, ich bin davon nur der prominenteste.
Hat es zwischen Ihnen und linken Glaubensfeinden mal richtig gekracht?
Über das Marx-Zitat vom Opium gab es Zoff. „Opium fürs Volk“ stammt ja in Wahrheit von Lenin und war als Kampfansage an die zarentreue orthodoxe Kirche in Russland gemeint. Marx selbst hat vom „Opium des Volkes“ gesprochen und damit den Seufzer der Entrechteten formuliert. Da differenziere ich genau. Bei einem Parteitag wurde mir deshalb vorgeworfen, ich würde meinen Glauben wie eine Monstranz vor mir hertragen, und das sei unvereinbar mit einem aufrechten Sozialismus. Das muss ich ertragen. Die so denken, müssen mich aber auch ertragen.
Gab es mal quälende Konflikte, weil Glaube und Überzeugung sich ins Gehege kamen?
Parteipolitisch war meine Gewissensfreiheit nie eingeschränkt. Und aus der Kirche bin ich zwischenzeitlich ausgetreten, weil ein noch nicht geschiedener Diakon fristlos gekündigt wurde, als er mit neuer Lebensgefährtin auf einer Kirchenfreizeit war. Das war in den Siebzigerjahren. Noch heute finde ich den schwäbischen Pietismus, den meine Schwester in der Schule in Aidlingen erlebt hat, ziemlich gewöhnungsbedürftig. Ich bin durch die Nord-Kirche geprägt.
Sie kommen trotz und nicht wegen der Pietisten nach Stuttgart?
Ich rede niemandem rein. So fremd mir die pietistischen Gemeinden sind, so fremd bin ich Teilen meiner Basis.
Ist das Verhältnis zwischen Kirche und Staat zu nah, zu fern oder gerade richtig?
Dringenden Klärungsbedarf sehe ich bei der Frage, welche Amtssitze und -funktionen aus staatlichen Geldern bezahlt werden und welchen Einfluss die Amtskirche auf die Besetzung normaler Lehrstühle an Universitäten hat. Dass Bistümer in Bayern bei der Berufung eines Soziologie-Professors mitreden, geht mir zu weit.