Die Galerieleiterin Corinna Steimel sorgt in Böblingen für Aufsehen. Ihr neuester Coup ist die Ausstellung „Die Klasse der Damen“. Sie stößt auf großes Medieninteresse.

Böblingen - Das Medieninteresse ist enorm: Radio- und Fernsehsender waren schon da, in den Lokalzeitungen gab es lange Artikel und selbst die Lehrergewerkschaft hat ihr bereits einen Besuch abgestattet: Corinna Steimel sorgt in Böblingen für einigen

 

Wirbel. Nun hat sie eine bisher wohl einmalige Ausstellung auf die Beine gestellt, in der sie den Blick nicht nur auf bekannte Künstlerinnen wie Ida Kerkovius oder Renée Sintenis lenkt. Sie zeigt auch in Vergessenheit geratene, ja sogar verschmähte und unbekannte Vertreterinnen der Malerei, die als „Malweiber oder Dilettantinnen“ bezeichnet wurden, wie die Leiterin der städtischen Galerie in Böblingen erzählt. Ihnen widmet sie eine kleine Hommage in ihrer Schau „Die Klasse der Damen – Künstlerinnen erobern die Moderne“ – und sorgt damit für einen bisher kaum dagewesenen Publikumsverkehr.

Verfolgt worden und in die innere Emigration gegangen

Als eher marginal für den Böblinger Kulturbetrieb mussten die Besucherzahlen in der städtischen Galerie bisher bezeichnet werden – einmal abgesehen von wenigen Ausnahmen wie etwa bei der Camille-Pissaro-Ausstellung im Jahr 2003, als rund 5000 Kunstfreunde kamen. „An einem normalen Mittwoch haben wir in der Regel vielleicht drei Besucher“, sagt Steimel. Am vergangenen Mittwoch seien es immerhin 30 gewesen. Fast vier Monate lang hat die umtriebige Galeriechefin nun Zeit, den Gästen Namen wie etwa Maria Hiller-Foell nahe zu bringen, die in den 1920er Jahren von sich Reden machte, als sie im Stuttgarter Bahnhof das monumentale Wandbild „Rastende“ schuf, das aber im Jahr 1945 zerstört wurde. Bis dahin hatte die Stuttgarter Expressionistin an einigen größeren Ausstellungen teilgenommen und sich auch im renommierten Kunsthaus Schaller präsentiert. Dann wurde es still um sie. „So wie ihr erging es vielen Künstlerinnen“, erzählt Steimel, „ob Hiller-Foell aber infolge politischer Verfolgung in die innere Emigration ging, ist nicht überliefert.“

Der Bund Bildender Künstlerinnen Württembergs hat Hiller-Foell wiederentdeckt und vor einem Jahr im Atelierhaus Werke von ihr gezeigt. Steimel besuchte auch zahlreiche private Sammler, um die Arbeiten von 26 weiteren regionalen Künstlerinnen zusammenzutragen. Dazu zählt Maria Caspar-Filser, die aus Riedlingen am Südrand der schwäbischen Alb stammte, ebenfalls von den Nazis verfolgt wurde und deren Werke aus öffentlichem Besitz beschlagnahmt wurden. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1968 erhielt sie aber doch einige Auszeichnungen, so wurde sie etwa mit dem Burda-Preis geehrt.

Noch nie gezeigte Arbeiten

Lily Hildebrandt, 1974 in Stuttgart gestorben, hatte als Jüdin während der Nazizeit ein Mal- und Ausstellungsverbot. Später gab sie ihre künstlerische Karriere ganz auf. Vielleicht hatten sie bereits düstere Vorahnungen geplagt, als sie im Jahr 1920 die melancholisch wirkenden Werke „Traum“ und „Nacht im Park“ schuf. Gestaunt werden kann auch über ihren „Kubistischen Kopf“ aus den Jahren 1914 bis 1916. Laut Steimel ein Selbstporträt, das wohl noch nie unter diesem Gesichtspunkt gesehen worden sei. Neben den Hildebrandtschen Arbeiten hat Steimel zudem Käthe Loewenthal aus dem Depot der städtischen Galerie hervor geholt und zeigt das Werk „Die Alpenhütte im Berner Oberland“, eine auf das Wesentliche reduzierte Impression. Im Depot hat Steimel im übrigen kräftig aufgeräumt, endlich eine Klimaanlage installieren und in den Ausstellungsräumen neue Wände einbauen lassen.

„Die Böblinger Sammlung ist reich an Künstlerinnen“, stellt die Galeriechefin fest. Und so kommt Alice Haarburger ebenfalls zum Zug mit noch nie präsentierten Bleistiftzeichnungen auf ihrem Original-Block. Trotz eines Visums in die Schweiz blieb sie im Jahr 1940 in Stuttgart, wurde deportiert und zwei Jahre später in einem Konzentrationslager umgebracht. Von solchen und anderen Tragödien berichtet Steimel bei ihren Führungen und auch davon, dass der berühmte Künstler Georg Baselitz sich ereiferte und behauptete, Frauen könnten nicht malen.