Vor zehn Jahren haben die Agentur für Arbeit und der Kreis den Vertrag für ein gemeinsames Jobcenter geschlossen. Die Jobvermittlung wird immer schwieriger.

Böblingen - Der Kreis und die Agentur für Arbeit betreiben seit dem Jahr 2005 das Jobcenter Kreis Böblingen. Die Vertragsunterzeichnung ist am Mittwoch ausgiebig gefeiert worden. Seit Beginn fungiert Clemens Woerner als Geschäftsführer. Es werde immer schwieriger, seiner Klientel einen Arbeitsplatz zu verschaffen, sagt der Diplomsoziologe.
Herr Woerner, rund 60 Prozent der bei Ihnen gemeldeten 3524 Arbeitssuchenden verfügen über keine Ausbildung und gelten als schwer vermittelbar. Was können Sie für diese Menschen tun?
Ein Alleinstehender erhält 391 Euro für den Unterhalt und 380 Euro für die Unterkunft. Viele haben gesundheitliche, finanzielle und auch persönliche Probleme. Wir bieten eine psychosoziale und auch eine Drogen- und Schuldnerberatung an. Zudem gibt es Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen. Aber dazu müssen die Bereitschaft und auch die Voraussetzungen vorhanden sein. Wenn einer keine Ausbildung machen möchte oder nicht machen kann, dann macht er eben keine.
Wie vielen vermitteln Sie wieder einen Job?
Pro Jahr gelingt es uns, rund 2600 Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Davon sind in der Regel rund 1000 ohne Ausbildung, bringen ein gesundheitliches Handicap mit, oder es fehlt ihnen an Deutschkenntnissen. Sie zu vermitteln wird immer schwieriger.
Angesichts der geringen Arbeitslosigkeit und der guten Konjunkturlage müsste man meinen, dass es eher einfacher geworden ist.
Nein, das Gegenteil ist der Fall. Es ist sehr mühsam geworden, für diese Menschen, vor allem für Ungelernte, eine Stelle zu finden, weil die Arbeitgeber nach qualifizierten Mitarbeitern suchen. Deshalb werden die Defizite – etwa auch bei Schulungen – viel genauer registriert, als das vielleicht früher der Fall war. Wenn es an den Grundvoraussetzungen fehlt: ein Lern- und Arbeitspensum zu bewältigen, im Team zu arbeiten und nicht zuletzt auch zuverlässig und pünktlich zu sein.
Wie viele freie Stellen haben Sie in Ihrer Kartei?
Im Landkreis liegen durchschnittlich rund 2000 Jobangebote vor. Doch fehlt es zunehmend an den einfachen Stellen, die mit ungelernten oder weniger qualifizierten Arbeitskräften besetzt werden sollen.
Dennoch muss hinterfragt werden, weshalb so viele Menschen länger als zwei Jahre Geld vom Jobcenter erhalten. Wer verbirgt sich hinter der Zahl von 5127 dieser Leistungsempfängern, die Sie im vorigen Jahr hatten?
Darunter sind etwa auch Schüler oder Alleinerziehende. Bei ihnen gibt es keinen Integrationsbedarf in den Arbeitsmarkt. Die einen streben eine Ausbildung an, die anderen müssen sich um ihre Kinder kümmern. Wir haben im Monat zwischen 500 und 800 Zu- und Abgänge. Das zeigt, dass sich einiges abspielt und unsere Jobcenter-Mitarbeiter viel bewegen. Die Zahl der Langzeit-Leistungsempfänger sank übrigens im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2012 um 5,6 Prozent.
Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, unter die alle Hartz-IV-Empfänger fallen, hat im Kreis mit 6166 ein Rekordtief erreicht. Wie viel Geld wird im Durchschnitt bezahlt?
Das kann ich nicht sagen. Aber ich kann ein Beispiel geben: Eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern im Alter von acht und zwölf Jahren erhält monatlich rund 1600 Euro netto.
Ist der Anreiz damit noch gegeben, einen Job anzunehmen?
Das kommt natürlich auf die Bedürfnisse an. Aber diese Summe entspricht einem Monatseinkommen von 2200 Euro brutto. Das muss ein Job erst einmal einbringen.
Wie viel erhalten Alleinstehende?
Sie sind nicht so gut gestellt mit insgesamt rund 780 Euro im Monat.
Wie viel darf ein Hartz-IV-Empfänger dazuverdienen?
So viel er will, solange er die Bedarfsgrenze zum Beispiel wie im genannten Fall von 1600 Euro nicht überschreitet. Er erhält Leistungen, die dann allerdings geringer ausfallen. Ein Hartz-IV-Empfänger kann je nach Familiensituation auf insgesamt 2000 Euro monatlich kommen, in dem er selbst 1200 Euro verdient und von uns noch 800 Euro an Leistungen erhält. Wer arbeitet, wird also belohnt.