Die Betriebsräte des Klinikverbunds Südwest, zu dem sechs Krankenhäuser in den Kreisen Böblingen und Calw gehören, sehen die Einsparungen in den Häusern kritisch. Beim Personal arbeite man schon am unteren Limit.

Böblingen/Calw Sparprogramme in den Krankenhäusern, Diskussionen über einen Nottarif für die Mitarbeiter und gleichzeitig Pläne für einen Klinikneubau auf dem Flugfeld – im Klinikverbund Südwest, zu dem die Häuser in Böblingen, Sindelfingen, Leonberg, Herrenberg, Calw und Nagold gehören, geht es seit Monaten rund. Im Interview beziehen nun Vertreter des Betriebsrats Stellung.
Herr Dietel, Herr Ruck, in den vier Krankenhäusern im Kreis Böblingen ist ein Nottarif für die Mitarbeiter vom Tisch. Nun soll gespart werden, indem frei werdende Stellen nicht einfach wiederbesetzt werden. Was bedeutet das?
Ruck Es ist sicher kritisch, bei jeder Stelle jedes Mal eine Einzelprüfung zu machen, bevor die Stelle wiederbesetzt werden kann. Eigentlich gibt es ja im Wirtschaftsplan einen festgelegten Stellenplan. Deshalb müsste eine Wiederbesetzung automatisch möglich sein. Das Problem ist, dass es anders als beispielsweise in Schulen, wo es einen Klassenteiler gibt, im Krankenhausbereich keine gesetzlichen Vorgaben gibt, für wie viele Patienten wie viel Personal gebraucht wird. Da können die Kliniken immer weiter reduzieren.
Armbruster Die Zitrone ist ausgequetscht. Früher waren wir in manchen Bereichen zu viert oder fünft im Frühdienst, heute ist man da zu zweit, nachmittags oft allein. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man da noch was kürzen kann. Das geht nicht.
Dietel Ein weiteres Problem sind die angedachten Stationsschließungen im Zuge des Sparprogramms. Denn die Patienten kommen ja weiter, weil wir sie gut behandeln. Wo sollen wir die künftig unterbringen?

Im Kreis Calw ist auch der Nottarif noch immer ein Thema. Wie ist die konkrete Situation, Herr Armbruster?
Armbruster Im Kreis Calw wird weiter darüber nachgedacht, einen Notlagentarif in den Kliniken einzuführen. In der vergangenen Woche gab es ein Gespräch der Geschäftsführung mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband KAV. Und im nächsten Schritt wollen sie jetzt an den Marburger Bund herantreten, und klären, ob die Ärzte verhandlungsbereit sind.
Dietel Der KAV hat wohl gesagt, wenn ein solcher Notlagentarif kommt, dann geht das nur, wenn er für alle Berufsgruppen gilt. Deshalb soll jetzt mit der Ärztevertretung Marburger Bund gesprochen werden.

Wie sind die Chancen, dass ein solcher Nottarif kommt?
Dietel Darüber können wir nur spekulieren. In den Oberschwabenkliniken ist der Notlagentarif geplatzt, weil die Ärzte sich geweigert hatten. Die Gewerkschaft verdi hatte da bereits zugestimmt.
Armbruster Fakt ist, dass sich die Kreiskliniken Calw in einer prekären finanziellen Situation befinden. Unser Eigenkapital ist aufgebracht. Ein Privatunternehmen wäre wahrscheinlich insolvent.
Dietel Ich sehe nicht unbedingt eine Notlage. Die Hälfte des Defizits sind Abschreibungen. Die entstehen, weil in den Vorjahren investiert wurde. Die Kliniken im Kreis Calw erhalten jetzt eine ordentliche Nachzahlung durch die Krankenkasse. Das sind erfreuliche Entwicklungen.

Wenn nun doch ein Nottarif käme, was würde das bedeuten?
Dietel Die Leute würden vermutlich mit den Füßen abstimmen. Viele Ärzte und Funktionskräfte sind mobil und fahren auch 15 bis 20 Kilometer weiter für einen Job. Spitzenmedizin ist damit im ländlichen Raum, wie wir es in einzelnen Disziplinen momentan auch in Nagold und Calw haben, nicht mehr möglich. Das wäre fatal, wenn die Fachkräfte abwanderten.
Armbruster Was uns Sorge macht, ist, wie hält der Klinikverbund es aus, wenn in einem Verbund unterschiedliche Tarife bezahlt werden sollten. Es macht wenig Sinn, wenn die Gesellschafter innerhalb des Verbunds so unterschiedliche Wege gehen.

Kommen wir zum Thema Medizinkonzept. Darüber wird schon sehr lange gesprochen. Wann kommt es endlich?
Dietel Daran soll gerade heftig gearbeitet werden. Wir sind gespannt, ob es, wie angekündigt, bis September vorliegt.

Das heißt, Sie als Betriebsräte sind nicht an der Entwicklung des Konzepts beteiligt?
Ruck Leider nicht. Momentan macht das die Geschäftsführung gemeinsam mit den Chefärzten und einem externen Gutachter-Team. Gerade, wenn es um Personalbemessungen geht, wollen wir mitreden.
Armbruster Wir haben bisher nur die Informationen, die es bei der Klausurtagung der Aufsichtsräte gegeben hat. Da war es nur ein grober Durchgang. Was uns bisher fehlt, ist, dass nicht über eine Änderung der Gesellschafterstrukturen gesprochen wird. Ein einheitliches medizinisches Konzept macht aus unserer Sicht nur Sinn, wenn es auch eine einheitliche Steuerung im Verbund gibt und nicht drei Gesellschaften, von der jede macht, was sie will.
Dietel Die Betriebsräte fordern ein kreisübergreifendes Gesamtkonzept seit Jahren. Unsere Vorstellungen sind bekannt, die einschlägigen Stellungnahmen liegen den Kommunalpolitikern vor und finden auch Beachtung.

Sollte man den Klinikverbund nicht gleich auflösen?
Armbruster Nein. Wir haben das lange diskutiert. Und wir sind der Meinung: Ohne Klinikverbund kommen wir nicht weiter. Es sind schon so viele Bereiche zentralisiert worden – Küche, EDV, Reinigung, dass wir viele Sachen nicht mehr selbstständig abdecken können, sondern fremd einkaufen müssten.
Dietel Die Idee des Klinikverbundes ist gut. Nur hat man irgendwann nach der Gründungsphase verpasst, Strukturen und Konzepte zu überprüfen. Die zwischenzeitlich erreichte schwarze Null konnte nur durch massive Personaleinsparungen und verschobene Investitionen, die uns jetzt einholen, erreicht werden.

Wie sehen die bisher vorliegenden Pläne des medizinischen Konzepts aus?
Ruck Es wird ein zentrales Schwerpunktkrankenhaus mit einem erweiterten, überregionalen medizinischen Angebot geben, vermutlich auf dem Flugfeld, und darum herum die kleineren Kliniken mit einer umfassenden und wohnortnahen Grund- und Regelversorgung.

Ist dieses Konzept auch in Ihrem Sinn?
Dietel Zwischen den Landkreisen muss auf Augenhöhe verhandelt werden. Ein durchdachtes und ausgewogenes Konzept kann durchaus Sinn machen. Dabei müssen die Auswirkungen auf die Beschäftigten dargestellt werden. Es ist allerdings schon jetzt ein Irrtum zu glauben, dass Qualität nur in den großen Zentren abgeliefert wird. Was uns als Betriebsräten wichtig ist, dass der Bau der Zentralklinik nicht dadurch finanziert wird, indem man beim Personal spart.
Ruck Die Frage ist in der Tat: Muss man an jedem Standort alles haben? Schwerpunktbildungen machen aus unserer Sicht Sinn, aber jedes Haus braucht eine gute Grund- und Regelversorgung und zwar mit der gleichen hohen Qualität. Ein Beispiel: ein Knochenbruch muss in Leonberg oder Herrenberg genauso gut behandelt werden wie in der zentralen Klinik auf dem Flugfeld.

Braucht man die kleinen Häuser in Leonberg und Herrenberg und Nagold überhaupt? Die Leute können doch gleich nach Böblingen oder Calw fahren.
Ruck Unbedingt! Warum sollten Patienten und Beschäftigte nach Böblingen oder Sindelfingen fahren, wenn es für die Patienten eine wohnortnahe, abgestimmte, nachhaltige, hochwertige Versorgung an den bisherigen Krankenhausstandorten gibt und für die Mitarbeiter attraktive und familienfreundliche Arbeitsplätze.
Armbruster Gerade im ländlichen Raum, wo immer mehr Arztpraxen zumachen, werden die kleinen Kliniken als Anlaufstellen rund um die Uhr immer wichtiger. Und bei einem Schlaganfall oder Herzinfarkt muss es schnell gehen, da braucht man unbedingt eine wohnortnahe Versorgung.
Dietel Noch einmal. Angesichts der demografischen Entwicklung brauchen wir im Klinikverbund alle Krankenhäuser.