Zivilcourage in Böblingen Diese Bauarbeiter retteten ein Kind vor der Entführung

Dusko Vukobrat (links) und Zeki Yasik verhinderten am Mittwoch eine Katastrophe. Während der eine den mutmaßlichen Täter überwältigte, schnitt ihm der andere den Weg ab, Foto: jps

Am Mittwochmorgen wäre im Röhrer Weg im Böblinger Süden beinahe ein zehnjähriger Junge auf dem Schulweg entführt worden. Doch zwei Bauarbeiter griffen beherzt ein – und befreiten den Jungen in letzter Sekunde.

Böblingen: Jan-Philipp Schlecht (jps)

Mittwochmorgen gegen 8 Uhr, am Fuße des Wohngebiets Diezenhalde im Röhrer Weg. Ein gewöhnlicher Werktag. Menschen gehen zur Arbeit, Kinder sind auf dem Weg in die Schule. Doch für einen zehnjährigen Jungen sollte der Schulweg an diesem Morgen zu einer lebensgefährlichen Falle werden: Ein 51-Jähriger hatte seinen VW-Bus vor einem ehemaligen Bürogebäude im Röhrer Weg abgestellt, der dort von der Freiburger Allee abzweigt. Offenbar lauerte er dem Jungen dort auf. Laut Polizeiangaben zerrt er das Kind zunächst vom Fahrrad und dann in sein Auto, um es zu entführen. Doch das Kind hat großes Glück im Unglück.

 

Der Junge schreit um Hilfe und wehrt sich. Zunächst vergebens, der Mann kann ihn wohl überwältigen. Doch die Schreie werden gehört. Ein Ohrenzeuge streckt seinen Kopf aus dem Bürofenster des Gebäudes, das mittlerweile als Mietlager genutzt wird, und ruft, der Mann solle das Kind gefälligst in Ruhe lassen. Auf die Szene werden auch drei Arbeiter an der Baustelle aufmerksam, die sich unmittelbar daneben befindet. Einer von ihnen ist Zeki Yasik, der mit seinen Kollegen dort gerade den Kanal saniert. Er und sein Kollege Dusko Vukobrat sind jetzt alarmiert. „Erst dachte ich, das wäre ein Vater mit seinem Sohn, der gerade renitent ist“, sagt der 48-jährige Yasik. „Doch als auch der Mann aus dem Gebäude gerufen hat, wurde mir klar, dass hier etwas nicht stimmt.“ Yasik fackelt nicht lange. Blitzschnell erkennt er die Situation. Und greift in letzter Sekunde ein. Ihm gelingt es, den Entführer zu stoppen, der schon im Begriff ist, mit dem Kind loszufahren. Dabei hilft ihm sein Kollege Dusko, der sofort mit seinem Bagger in Richtung der Kreuzung fährt und dem Bus so den Fluchtweg versperrt. „Ich hätte ihn zur Not mit der Schaufel gestoppt“, sagt Vukobrat. Durch die Baustelle steckt der Bus in einer Sackgasse.

Zeki Yasik schreckt in diesem Moment nicht davor zurück, beherzt einzugreifen. „Ich habe den Mann von Fahrersitz gerissen und den Bus gestoppt“, sagt er und ist dabei noch sichtlich bewegt. „Ja ich war grob zu ihm, aber was hätte ich tun sollen?“, sagt er. Im nächsten Moment rennt er um das Auto herum und befreit den Jungen, der schon auf dem Beifahrersitz sitzt. Dem völlig verängstigten Kind sagt Yesik: „Jetzt bist Du in Sicherheit, Dir wird nichts passieren.“ Ihm und seinen Kollegen gelingt es, den 51-Jährigen festzuhalten, bis die Polizei eintrifft, die bereits gerufen wurde.

„Ja, ich war grob zu ihm“, sagt Zeki Yasik

Als die Beamten dazustoßen, entsteht schnell ein Verdacht, womit sie es zu tun haben. Auf einem Video, das im Internet kursiert, ist der dunkelgraue Transporter zu sehen. Die hinteren Scheiben sind mit silberner Hitzeschutzfolie abgeklebt. Die Bauarbeiter konnten während der Festnahme einen Blick in den Bus werfen, im hinteren Bereich sei ein Bett eingebaut gewesen. Durch die abgeklebten Fenster sei kein Licht nach drinnen gedrungen, sie erlaubten keine Blicke ins Innere. Die Polizeibeamten fackelten dann nach Aussage der Bauarbeiter nicht lange: Sie legten dem mutmaßlichen Entführer ohne Umschweife Handschellen an.

Kind ist wieder bei seinen Eltern

„Ich bin selbst Vater von drei Kindern“, sagt Yesik am Tag darauf. „Erst als ich abends zuhause war, habe ich realisiert, was eigentlich passiert ist.“ Der Vorfall geht auch ihm nahe, wen wird es wundern?

Die Polizei teilte bereits am Mittwoch mit, dass die Kriminalpolizei die Ermittlungen in diesem Fall aufgenommen hat. Wegen des Verdachts der versuchten Freiheitsberaubung befindet sich der 51-Jährige in Polizeigewahrsam. Den zehnjährigen Jungen konnten die Beamten in die sichere Obhut seiner Eltern geben.

Am Donnerstag teilt das Polizeipräsidium Ludwigsburg mit, der 51-Jährige Tatverdächtige sei am Donnerstagvormittag auf Antrag der Staatsanwaltschaft einem Haftrichter am Amtsgericht Stuttgart vorgeführt worden. „Dieser ordnete die Unterbringung des 51-jährigen Deutschen in einem psychiatrischen Krankenhaus an“, schreibt die Polizei weiter. Die Ermittlungen zur Tatmotivation des Mannes dauerten noch an.

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