Laut dem Landratsamt sind jetzt alle undichten Geothermiesonden verschlossen. Ob und wie stark der Boden dennoch weiter aufquillt, ist allerdings offen. Über das weitere Vorgehen ist Streit entbrannt. Auch die CDU hat sich eingeschaltet.

Böblingen - Die Bohrlochsanierung ist endlich gelungen – Dank an die Sanierungshelfer“, jubiliert Rudolf Springholz. Wer den 86-Jährigen jedoch kennt, weiß, dass ein sarkastischer Unterton mitschwingt. Springholz wohnt etwas außerhalb des bisher angenommenen Erdhebungsgebiets im Böblinger Süden. Auch an seinem Heim gibt es Risse. Vor zwei Jahren meldete er sich beim Landratsamt. „Ich bin abgewimmelt worden mit der Feststellung, dass die Ursache wohl auf die Trockenheit im Sommer zurückzuführen sei“, sagt der Rentner. Seine These hält er dennoch aufrecht: Dass sich die Schäden, die durch die Geothermiebohrungen verursacht wurden, nicht auf jene Gebiete beschränken, die von Experten ermittelt worden sind. Die Erde hebe sich möglicherweise noch durch andere Bohrungen. Es seien wohl nicht nur 200 Häuser betroffen. „Das ganze Ausmaß des Desasters ist noch gar nicht klar“, mutmaßt Springholz.

 

Die Erde hebt sich noch immer

Was sich unter Eingeweihten längst herum gesprochen hat, bestätigt das Landratsamt auf Anfrage. Das letzte der insgesamt 15 undichten Erdwärmelöcher im südlichen Hebungsgebiet von Böblingen sei mit Zement verfüllt worden. Und zwar bereits am 19. Juli. Am 27. Juli sei die Baustelle im Schliffkopfweg geräumt gewesen. Die Löcher seien dicht, das hätten Messungen ergeben. Jetzt werde noch die Hebungsgeschwindigkeit der Erde per Satellit beobachtet. Nehme sie signifikant ab, bestätige dies den Sanierungserfolg. Das Ergebnis werde Ende des Jahres erwartet, so Eva de Haas, die Leiterin des Wasserwirtschaftsamts.

Mit der Sanierung war im Oktober 2014 im Norden Böblingens begonnen worden, wo zwei fehlerhafte Erdwärmesonden repariert wurden. Durch sie, so heißt es, dringe kein Wasser mehr in die Gipskeuperschichten ein, die angebohrt worden waren, aufquollen und für die Erdhebungen und Schäden an den Häusern verantwortlich gemacht werden. Teilweise hob sich die Erde um bis zu einem halben Meter. Zwar stellten Fachleute fest, dass sich die Hebungen verlangsamt haben. Zum Stillstand gekommen sind sie noch nicht. „Wie viel Wasser in den Gipskeuper gelaufen ist, weiß niemand“, sagt Springholz. Laut Experten könnte sich die Erde noch bis Mitte des Jahrhunderts heben, hunderte weitere Häuser könnten beschädigt werden. Springholz und dessen Mitstreiter fordern deshalb, außer den bisher 17 Bohrlöchern weitere in Augenschein zu nehmen und gegebenenfalls zu sanieren. In Böblingen ist insgesamt 200 Mal nach Erdwärme gebohrt worden.

Gutachten fehlen noch

„Per Satellit werden die Hebungen genau gemessen“, hatte vor einiger Zeit Bernd Hommel von der Interessengemeinschaft Erdhebungen Böblingen (IGE-BB) erklärt. Es gebe keinen Anlass zur Unruhe.

Für Springholz und einige Betroffene, die nicht in der IGE-BB Mitglied sind, gibt es ihn sehr wohl. Die vom Landratsamt herausgegebene Karte über die Hebungsgebiete sei zwei Jahre alt, bemängelt Springholz. Eva de Haas teilt mit, man erwarte vom Landesamt für Geologie Anfang 2019 eine Expertise über den Süden. Danach werde auch die Allianz-Versicherung ihre Gutachter beauftragen. Im Norden sind sie fertig. Kosten in Höhe von 6,7 Millionen Euro schätzten sie für die Instandsetzung der Häuser, diese Summe wird beim Schadensausgleich zugrunde gelegt.

CDU-Stadtrat möchte auf die Landespolitiker einwirken

Die IGE-BB will die Gutachten erst einmal abwarten. „Erst dann können wir zusammenzählen und sehen, wer Ansprüche erheben kann“, sagt Bernd Hommel. Doch diese Position ist nicht unumstritten – auch in den Reihen der Böblinger CDU. Der Stadtrat Willi-Reinhart Braumann hat sich im Amtsblatt geäußert. Der Streit ist eskaliert. „Die IGE-BB führt einen bisher aussichts- und erfolglosen juristischen Kurs“, sagt Braumann. Er schlägt eine andere Marschroute vor. „Mir scheint es wichtig, dass auch die politische Schiene mit Nachdruck betrieben wird. Das würde uns Lokalpolitiker legitimieren, auf die Unwilligen in der Landespolitik für einen Hilfsfonds einzuwirken“, schrieb er. Die Geschäftsführung der IGE-BB zeigt sich empört: „Braumann dokumentiert sein Streben nach Publizität um jeden Preis in geradezu grotesker Weise. Wir empfinden es als eine bodenlose Frechheit mit Unwissen und Unterstellungen und auch noch unter dem Namen der CDU aufzutreten.“

„Die IGE-BB agiert viel zu ängstlich, noch dazu hinter verschlossenen Türen, sodass wir gar nicht wissen, was ihr Plan ist“, meint auch Rudolf Springholz. Der 86-Jährige hat inzwischen aus der Not eine Tugend gemacht. Er hat seine Risse am Haus selbst vergipst: „Das hat leider nicht viel geholfen, sie sind wieder gekommen.“

7,5 Millionen Euro Kosten

Bohrlochsanierung:
Die Arbeiten begannen im Böbliner Norden im Oktober 2014, wo zwei Löcher abgedichtet wurden. Im Februar 2016 stieß man im Süden auf Thaumasit. Das Mineral aus der Klasse der Sulfate hatte den Zement der Bohrfirma zerfressen. Anderthalb Jahre dauerte es, um Spezialwerkzeuge zu entwickeln und das Thaumasit an die Erdoberfläche zu befördern. Die schadhaften 15 Löcher im Süden waren im Juli diesen Jahres dicht. Die Sanierung kostete insgesamt 7,5 Millionen Euro.

Gebäudesanierung:
Im Norden ist die Erde inzwischen ziemlich zur Ruhe gekommen. Vom Landratsamt kam der Hinweis, dass mit der Haussanierung begonnen werden kann. Im Süden wird davon noch abgeraten, weil es dort zurzeit noch immer Hebungen gibt.