Nach der Erhöhung der Grundgebühr gehen einige Bürger auf die Barrikaden. Sie wollen mehr Informationen über die nötige Sanierung des Fernwärmenetzes.

Böblingen - Einen Sturm der Entrüstung haben in Böblingen die höheren Fernwärmepreise entfacht, die seit 1. August gelten. „Zuerst haben viele gar nicht gemerkt, was da auf sie zukommt“, sagt Peter Aue von der Interessengemeinschaft Fernwärme. Viele der

 

Rechnungen seien an Hausgemeinschaften gegangen oder Wohnungsbaugesellschaften, die den einzelnen Mietern erst allmählich die Erhöhung mitteilten. Mancher Fernwärmebezieher unter den rund 8500 Haushalten habe sich zunächst keine größeren Gedanken gemacht angesichts der Steigerung der Grundgebühr von 9,90 Euro für ein Kilowatt auf 28,82 Euro – dazu kommen bei jedem Haushalt aber noch die Kosten für den Anschluss und den Verbrauch.

Anschlussleistung ist entscheidend

„Wir zahlen doch bloß 20 Euro mehr“, habe der eine oder andere vorschnell die Sache abgehakt, meint Aue. In den meisten Fällen jedoch kommt am Ende eine Kostensteigerung von mehreren hundert Euro heraus. Entscheidend ist nämlich der Hausanschluss. Dafür wurde ein Leistungswert festgelegt, mit dem die eigenen vier Wände wohlig warm werden. Der Böblinger Aue zum Beispiel verfügt über eine Anschlussleistung von 15,7 Kilowatt. Dafür ist seine Leitung ausgelegt, und dieser Wert ist bei der Berechnung der Grundgebühr mit den 28,82 Euro zu multiplizieren. Nach der Preiserhöhung werde seine Grundgebühr um 370 Euro auf 540 Euro steigen, so Aue. Für ihn und die Interessengemeinschaft Fernwärme (IGF) ist diese Gebührensteigerung inakzeptabel. Aue und seine Mitstreitern haben sich längst erkundigt: „Die Erhöhung wird damit begründet, dass alte Leitungen saniert werden müssen.“ Dafür wolle man jedoch Fakten sehen, fordert er.

In den vergangenen Jahren seien zur Instandhaltung des Leitungsnetzes jährlich eine bis 1,2 Millionen Euro gesteckt worden, sagt Volker Eberle von der IGF. In manchen Gebieten seien die Leitungen erst zehn Jahre alt. Von einem Sanierungsstau könne also keine Rede sein, unterstreicht auch Aue.

Stadtwerke: 50 Millionen Euro für die Sanierung

Genau diesen sieht jedoch Jan Kohlmeyer, der Leiter Unternehmensentwicklung bei den Stadtwerken. Die Stadtwerke würden noch über keine liquiden Mittel verfügen und müssten trotzdem in den nächsten zehn bis 20 Jahren rund 50 Millionen Euro in die Sanierung des Netzes stecken. Damit wollen die Stadtwerke, die Ende des Jahres 2012 neu gegründet wurden und Anfang des vergangenen Jahres an den Start gegangenen sind, im nächsten Jahr beginnen. Die Stadt ist an ihnen mit 59 Prozent beteiligt, der Energiekonzern EnBW hält 41 Prozent.

„Im Stadtteil Rauher Kapf wird wohl bald auch Fernwärme angeboten. Es sollen neue Geschäftsfelder erschlossen werden“, sagt der Hausbesitzer Ulrich Priebe, dessen Grundgebühr um fast 400 Euro im Jahr steigt. Er weist darauf hin, dass es nicht sein könne, dass alte Kunden die neuen Netze mitfinanzierten. Der Stadtwerkemanager Kohlmeyer dementiert dies. Die Preisanhebung habe mit einer möglichen Ausdehnung des Versorgungsnetzes nichts zu tun: „Das bezahlen die Kunden nicht mit.“

Energieberater prüft den Bedarf

Die Stadtwerke indes bieten ihren Klienten für 20 Euro eine Energieberatung an, die sie mit fünf Euro bezuschussen. Damit die Verbraucher ihren Anschluss überprüfen lassen können und von einem möglicherweise zu hohen Anschlusswert herunterkommen. Der Diplomingenieur Aue meint, er sei sein eigener Berater. Den unabhängigen Experten aus der Energieagentur des Kreises benötige er nicht. Er komme mit weitaus weniger Kilowatt-Anschlussleistung aus. Statt der 15,7 Kilowatt habe er einen Wert von 10,7 beantragt.

„Die Berater geben eine Empfehlung ab, an der wir uns orientieren, um die Gebühr danach festzulegen“, sagt Kohlmeyer. Dieses Verfahren sei auch sinnvoll: „Schließlich wollen wir nicht, dass Herr Aue, wenn es draußen kalt ist, zu Hause mit einem dicken Wollpullover herumlaufen muss.“