Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Natürlich bleibt die Frage, ob sich dieser Appell auch an Andersfühlende richtet, oder ob er lediglich dazu dient, die eigene Klientel in der Ansicht zu bestätigen, sie gehöre zu den vom Leben und Staat Vernachlässigten bis Betrogenen. Für viele Leute ist das ja nicht nur neuerdings ein Trumpismus, sondern einfach seit längerem eine Tatsache. Dass die Onkelz selber längst Big Business sind und Millionäre, stellt die Street Credibility bei „ihren“ Leuten jedenfalls wenig in Frage. Die Böhsen Onkelz bilden strikt eine Art Paralleluniversum. Man kann sich bei ihnen im passiven Widerstand gegen alles und auch wieder nichts einrichten, hängt „das Herz über’n Verstand“ („Wo auch immer wir stehen“) und betreibt Gruppendynamik zwischen Onkelz, Nichten und Neffen. We are family! Böhse Onkelz kennen keine Parteien mehr und keine Nation. Soziale Identität stiftet der Fan dem Fan.

 

Nur zum Vergleich: in der letzten Woche veröffentlichte die Afroamerikanerin Alicia Keys ein neues Album, das „Here“ heißt. Auch da geht es um Ablehnung, die gesellschaftliche Gruppen oder Ethnien erfahren, und dann gibt es ein Mädchen in Brooklyn, das steht hin, deutet auf die Mitschüler und sagt: „Ihr seid keine Nigger. Ihr leuchtet!“ Alicia Keys zitiert Nina Simone, wenn sie sagt, es sei „Pflicht eines Künstlers, die Zeiten zu reflektieren“, sich also nicht nur angeekelt und rundum finster diffamierend von ihr abzuwenden. Das Album beginnt mit den Worten: „Ich bin Nina Simone im Park. Ich bin Harlem im Dunkeln.“ Zwischen den Onkelz und Alicia Keys liegen, logisch, in vielen Punkten Welten. Wichtig wäre, die Abstände zu kennen, aber auch, dass die eine der anderen Welt nicht aus dem Sinn kommt.