Der Konzern behält die Mehrheit an der Antriebssparte, was nicht überall auf Verständnis stößt. Die IG Metall freilich besteht darauf.

Stuttgart - Die Skepsis dominiert. Der Autozulieferer Continental hat die Anleger an der Börse bisher nicht davon überzeugen können, dass der geplante Konzernumbau der richtige Schritt auf dem Weg in die Zukunft ist. Nach der Bekanntgabe der Pläne am Mittwoch voriger Woche ist der Aktienkurs zeitweise um fast zehn Prozent gesunken.

 

Am Donnerstag soll nun der Aufsichtsrat dem Konzept zustimmen. Da sich Vorstandschef Elmar Degenhart zuvor mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Reitzle abgestimmt hat, gelten größere Änderungen als unwahrscheinlich. Der Plan: Conti wird zu einer Holding mit den drei selbstständigen Bereichen Reifen, Automotive und Antrieb (Powertrain) darunter. Die Antriebssparte will Degenhart im nächsten Jahr mit einem Minderheitsanteil an die Börse bringen; ein Verkauf von Anteilen an den beiden anderen Bereichen ist zumindest gegenwärtig nicht geplant.

Eine Holding sorgt für Doppelstrukturen

Über eine Aufspaltung von Conti wird schon länger diskutiert. Analysten und Anleger hatten ursprünglich vor allem gehofft, dass der sehr profitable Reifenbereich alleine an die Börse gebracht wird. Hart urteilt der Analyst Fei Teng von der Berenberg-Bank, der den geplanten Schritt als „wohl am wenigsten wertsteigernde Lösung“ bezeichnet. Der Grund: Es ist nur ein Teilbörsengang der Antriebssparte geplant, und das Reifengeschäft bleibt ganz im Konzern. Bei Credit Suisse ist von einer Minimallösung die Rede, die Citigroup spricht nur von einem „ersten Schritt hin zur Wertsteigerung“, und NordLB-Analyst Frank Schwope ist sich noch nicht einmal sicher, „ob der Börsengang oder letztlich gar ein Verkauf des Bereichs Powertrain sinnvoll für das Unternehmen ist“.

HSBC-Analyst Henning Cosmann stört es, dass eine Holding vorgesehen ist; er hätte sich eine komplette Aufspaltung in drei separate, börsennotierte Gesellschaften gewünscht. Aufspaltungen ohne eine Holding sind in den USA üblicher als in Deutschland. Viele Analysten finden selbstständige Einheiten zwar grundsätzlich gut, weil sie klar ausgerichtet sind, mehr Freiheiten haben und leichter Kooperationen eingehen können. Andererseits besteht die Gefahr, dass Doppelstrukturen aufgebaut werden, wenn eine Holding den Zugriff auf die neue Tochter behalten will.

Die Kunden werden Conti als Einheit betrachten

Als halbherzig wird der Plan des Conti-Vorstands nicht nur an der Börse bewertet, sondern auch in der Autobranche. „Mich überrascht, dass Conti die Mehrheit an der Antriebssparte behalten will“, sagt ein Topinsider aus dem Autogeschäft. Denn die Tochter wird weiter zum Konzern gehören und in der Bilanz auftauchen. Zudem glaubt der Experte, dass die Kunden Conti in Verhandlungen weiter als Einheit betrachten. Das könnte etwa bedeuten, dass es Vertrag A nur gibt, wenn der Konzern zu Zugeständnissen bei Vertrag B bereit ist.

Aber der Vorstand sucht die Zustimmung der Arbeitnehmerseite zu den Plänen. „Für die Beschäftigten ist die Zusicherung des Vorstandes entscheidend, alle Konzernbereiche langfristig begleiten zu wollen“, hat die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Christine Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, gesagt. „Ich begrüße die öffentliche Äußerung des Vorstands, die Mehrheit an einem möglichen börsennotierten Unternehmen behalten zu wollen.“ Die IG Metall werde den Vorstand an dieser Aussage messen.

Die vergleichbare Sparte bei Bosch ist doppelt so groß

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen hat die Ausgliederung der Antriebssparte gleich nach der Ankündigung als die Gründung einer „Bad Bank“ bezeichnet. Conti versammelt hier aber nicht nur alle Aktivitäten rund um den Verbrennungsmotor – von Einspritzsystemen über die Motorsteuerung bis zur Abgasnachbehandlung –, sondern auch das Geschäft mit Hybrid- und Elektroantrieb sowie Batterien (48 Volt). Aufgebaut wurde die Sparte im Wesentlichen durch den Erwerb von Siemens VDO im Jahr 2007. Bezahlt hat Conti dafür 11,4 Milliarden Euro, obwohl das Geschäft als nicht sehr ertragsstark gilt. Der Börsenkandidat Powertrain hat gegenwärtig 40 000 Mitarbeiter und erwirtschaftet knapp acht Milliarden Euro Umsatz. Der Conti-Konkurrent Bosch macht alleine in diesem Bereich nach Branchenschätzungen mit 88 000 Beschäftigten doppelt so viel Umsatz. Die Stuttgarter haben Anfang des vorigen Jahres die Elektromobilität in den Geschäftsbereich Powertrain Solutions eingebracht, der seitdem aus Benzin-, Diesel- und Elektroantrieb besteht. Grund dafür waren keine Ausgliederungspläne, sondern ein interner Umbau. Früher war bei Bosch die Nutzfahrzeug-Elektrifizierung dem Diesel zugeordnet und der Strom-Pkw dem Benziner.

Delphi hat eine Zellteilung hinter sich

Dem geplanten Börsengang der Continental-Antriebssparte, so wird in der Branche spekuliert, könnte ein weiterer Schritt folgen: der Zusammenschluss mit Delphi Technologies. Der US-Zulieferer Delphi Automotive, der einst Teil von General Motors war, hat sich Ende vorigen Jahres aufgespalten: Um Verbrennungs- und Elektromotoren kümmert sich jetzt Delphi Technologies (rund vier Milliarden Euro Umsatz), während Autonomes Fahren und Roboterautos unter dem Namen Aptiv firmieren. Durch solch einen Zusammenschluss könnte Conti die Mehrheit an seiner Antriebssparte abgeben, ohne Anteile zu verkaufen.

Conti behält neben dem angestammten Reifengeschäft eine Sparte Automotive. Die besteht im Wesentlichen aus Aktivitäten auf den Gebieten aktive Sicherheit (ABS, ESP und Bremsen) sowie Elektronik und Software rund um Autonomes Fahren und vernetzten Verkehr. Die Bereiche haben auf dem Weltmarkt einen hervorragenden Ruf. Verbindungen zum Reifengeschäft des Konzerns gibt es nicht.