Vom neuen Jahr an müssen Bäckereien Kassenbons ausgeben. Das neue Gesetz soll Steuerhinterziehung bekämpfen. Die Kunden sind irritiert. Und was sagen die Bäcker dazu?

Stuttgart - Der 1. Januar 2020 ist Stichtag. Ab dann müssen Bäcker, Dönerläden und Friseure einen Kassenbon für jeden Einkauf ausgeben. Eine Folge des Kassengesetz 2020, das das Bundesfinanzministerium erlassen hat. Die Stuttgarter Bäcker sehen neben sich besonders eine Leidtragende: die Umwelt.

 

„Was sollen wir machen?“ – die Verkäuferin ist verwundert. „Ein Kassenbon für jeden, wirklich jeden Einkauf?“ Das Unverständnis ist groß. Bisher hat sie es so gehandhabt wie alle ihre Kollegen: Will der Kunde einen Kassenzettel, bekommt er ihn. Sagt er nichts, braucht er auch keinen. Da sind sich nicht nur die Verkäufer einig, sondern auch die Kunden. In der Filiale der Bäckerei Sehne läuft der Drucker für die Kassenzettel deshalb nur selten. „Wenn ich einen brauche, dann sag ich das“, meint ein Mann. Eine weitere Kundin hält es ebenfalls für unnötig. „Ich nehm’ nie Bons – Was soll das denn?“

Das Bundesfinanzministerium hat darauf eine Antwort. Das neue Gesetz soll Steuerhinterziehung bekämpfen und dem Finanzamt kurzfristige Kassenprüfungen erleichtern. An sich nicht falsch, findet der Stuttgarter Bäckermeister Falk Hafendörfer: „Es ist eine Möglichkeit, um dem Nicht-Bonieren an der Kasse zu begegnen – nicht nur das Finanzamt profitiert, sondern unter Umständen auch der Chef.“

Auch viele Angestellte sehen kein Problem. Es gehe dann ein paar Minuten länger, aber viel Arbeit sei die Bonausgabe nicht. Außerdem, so eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums, gibt es keine Belegannahmepflicht. Im besten Fall wird also der Kassenzettel ausgegeben und liegen gelassen.

Vorsorglich Papier kaufen

Sinnlos finden die Pflicht die Geschäftsführer vieler Stuttgarter Bäckereien. „Das ist unnötig, da unsere Computerkasse alles aufzeichnet“, erklärt Monika Frank von der Bäckerei Frank. Gleiches bestätigen Stefanie Sailer-Puritscher, Geschäftsführerin der Bäckerei Sailer, und Andreas Schrade, Chef der Bäckerei Schrade. Das Finanzamt habe alle Daten, denn die elektronischen Kassen speichern alles. „Da können Sie in fünf Jahren vorbeikommen und einen Kassenzettel verlangen: Den kriegen Sie sofort“, sagt Schrade. Der Betreiber von sechs Filialen befürchtet keine große finanzielle Belastung.

Anders sieht das Stefanie Sailer-Puritscher. Während sie bisher für 13 Verkaufsstellen in vier Monaten 160 Rollen benötigt hat, braucht sie die künftig wohl jede Woche. „Wir haben das Geld doch auch nicht wie Heu“, sagt sie. Deshalb sei es ein „völliger Schwachsinn“. Sailer-Puritscher hofft zwar noch auf ein Wunder, hat aber schon vorsorglich Papier eingekauft. Sie befürchtet, dass Thermopapierrollen, wie sie von den meisten Geschäften verwendet werden, schnell ausverkauft sein werden.

Bäcker fürchten finanzielle Mehrbelastung

Bisher waren die Drucker in den Stuttgarter Bäckereien nie viel im Betrieb. Falk Hafendörfer von der gleichnamigen Bäckerei befürchtet deshalb, einen zweiten Drucker zu benötigen, wenn der erste heißläuft. Der Verschleiß werde höher werden und auch die Patronen öfter zu wechseln sein, sagt Monika Frank.

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Vielen Bäckereikunden, so auch im Bäckerhaus Veit, fällt ein anderes Problem auf. „Den Zettel werde ich vermutlich immer direkt entsorgen“, kommentiert eine Frau. Ein Mann reagiert genervt: „Und danach liegen die Kassenzettel dann überall rum?“ Monika Frank sieht ein Personalproblem auf ihr Geschäft zukommen. Die Angestellten hätten klargemacht, dass sie nicht die ganze Straße von Kassenzetteln befreien könnten. „Da kann man wahrscheinlich bald schon eine Spur bis zur S-Bahn verfolgen“, befürchtet sie. Lange habe man sich mit nachhaltigen Ideen beschäftigt und unter anderem ein Pfandsystem für Kaffeebecher eingeführt, erläutert Andreas Schrade. Und jetzt kommt ein solches Gesetz. „Das macht betrübt. Das mit dem Müll wird schlimm“, prognostiziert er.

Kassenzettel müssen nicht in Papierform sein

Das Finanzministerium hält dagegen, dass die Kassenzettel nicht in Papierform ausgegeben werden müssten. Die Bonpflicht sei technologie-offen „um es den Kasseninhabern zu ermöglichen, den Bon auf digitalem Wege und damit auf umweltfreundliche Art auszugeben“. Die Technologie, den Kassenzettel direkt auf dem Handy abzurufen, ist bisher aber weder bei den Händlern noch den Kunden angekommen. Sinn ergibt der digitale Kassenzettel nämlich nur, wenn die Kunden die entsprechenden Apps haben.

Thermopapier war lange mit dem giftigen Bisphenol A beschichtet. Vom Jahr 2020 an wird der gesundheitsschädliche Stoff aber verboten. Damit dürfen die Kassenzettel, anders als zuvor, ins Altpapier, statt in den Restmüll.

Eine Sprecherin des Finanzministeriums stellt gegenüber unserer Zeitung klar, dass es bei einem Verstoß gegen die Belegausgabe keine Bußgelder gäbe, ergänzt aber: „Er könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde.“ Man mache sich also verdächtig. Sobald das Gesetz in Kraft tritt, wollen der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks und auch sämtliche Stuttgarter Bäcker eine Ausnahmegenehmigung beantragen. „Die Steuerberater beschäftigen sich schon mit dem Gesetz, aber es gibt noch kein Antragsformular“, erklärt Frank. Die Bäckerinnung Region Stuttgart-Nord strebt eine Branchenlösung an, sodass das komplette Handwerk von der Belegausgabe befreit wird. Mindestens bis die Anträge bearbeitet sind, werden sich die Bäcker aber an die Zettel gewöhnen müssen.