Nach dem Brand in einem Mehrfamilienhaus an der Graf-von-Galen-Straße in Stuttgart-Fasanenhof bleibt den Menschen nichts anderes übrig, als nach vorne zu schauen.
Fasanenhof - Glück kann Familie Arnold gut gebrauchen. Am Sonntag, 21. Mai, ist ihre Wohnung abgebrannt. Am Montag danach ist der Schornsteinfeger zufällig in der Gegend, um nach einer Heizung zu schauen. Er hat von dem Feuer in dem Mehrfamilienhaus an der Graf-von-Galen-Straße in Stuttgart-Fasanenhof erfahren und schaut sich das Gebäude an. Dabei hat er seine Glücksbringer und drückt jedem einen kleinen schwarzen Schornsteinfeger aus Kunststoff in die Hand.
Christel und Karl-Heinz Arnold nehmen dankend an. Die beiden Rentner wirken gefasst. Das Bild, das sich ihnen bietet, ist schrecklich. Noch immer liegt ein beißender Geruch in der Luft. Der Balkon im dritten Stock und die Fassade rundrum ist verkohlt. Von Christel Arnolds Pflanzen, die dort in Blumenkästen wuchsen, ist nichts mehr übrig. Bei dem Balkon darunter ist die Situation ähnlich. Die Wohnung im Erdgeschoss hingegen sieht von außen noch intakt aus. In den Fenstern stehen Blumen und hängen weiße Gardinen. Doch der Schein trügt. „Das komplette Haus ist unbewohnbar“, sagt Sascha Arnold, der Sohn des Ehepaars. In der Wohnung seiner Eltern sei alles schwarz, verraucht und vom Löschwasser in Mitleidenschaft gezogen. „Das ist schon eine heftige Aktion. Von jetzt auf gleich ist einfach alles weg!“, sagt Sascha Arnold.
Der Sachschaden beträgt eine halbe Million Euro
Karl-Heinz Arnold war zu Hause, als das Feuer am Sonntagmittag ausbrach. „Ich lag gerade auf dem Sofa, als ich Schreie aus der Wohnung unter uns hörte“, erinnert er sich. Zunächst habe er an einen Streit gedacht. Doch als der Rauchmelder piepste, wusste er, was los war. Er schaute zum Fenster heraus und sah dicke schwarze Rauchschwaden aufsteigen. Er rannte zur Wohnungstür, öffnete diese und stand vor einer schwarzen Wand. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf Rettung zu warten. Er versuchte noch, die Feuerwehr zu verständigen, erreichte aber nur den Anrufbeantworter. Kein Wunder – schließlich wollten zu dieser Zeit etliche Nachbarn und zum Teil auch Schaulustige den Brand melden.
Gegen 11.30 Uhr am Sonntag war das Feuer in dem Wohnhaus ausgebrochen. Beim Eintreffen der Rettungskräfte brannten bereits die zwei Balkone im ersten und zweiten Obergeschoss, das Feuer drohte auf das Dachgeschoss überzugreifen. Gegen 13 Uhr war das Feuer unter Kontrolle. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 500 000 Euro, heißt es im Polizeibericht. Die Feuerwehrleute mussten zwölf Personen retten. Vier Kinder im Alter von vier bis 15 Jahren sowie fünf Erwachsene im Alter von 28 bis 67 Jahren wurden mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung in Kliniken gebracht. Karl-Heinz Arnold war einer von ihnen. „Die haben das gesamte Programm mit mir gemacht. Das wollte ich zwar zunächst nicht, aber die Ärzte haben mich dann doch überredet“, sagt er.
An diesem Morgen sei er entlassen worden und dann erst einmal ins Geschäft gefahren, um die wichtigen Dinge zu erledigen, die beim ihm als Selbstständigen jeden Montag auf der Tagesordnung stehen. „Es muss ja weitergehen“, sagt der 67-Jährige. Seine Frau war nicht zu Hause, als das Feuer ausbrach. Sie holte gerade die Enkel ab. „Zum Glück“, sagt Christel Arnold, und versucht, der Sache was Positives abzugewinnen. Eigentlich habe sie an diesem Montag Fenster putzen und Gardinen waschen wollen. „Das muss ich nun alles nicht mehr“, sagt sie. Ein wenig klingt es wie Galgenhumor.
Die Polizei hat die Spuren gesichert
Die Ermittlungen zur Brandursache dauern an. Am Montagvormittag waren noch einmal Polizeibeamte vor Ort, um Spuren zu sichern. Viel kann die Pressestelle der Polizei aber noch nicht sagen. „Das Material muss erst ausgewertet werden. Bis dahin müssen wir abwarten“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage unserer Zeitung. Ersten Erkenntnissen zufolge ist das Feuer aus bislang unbekannter Ursache in einer Wohnung im ersten Stock ausgebrochen. Auf dem Fasanenhof macht das Gerücht die Runde, dass ein Akku-Ladegerät explodiert sei und dies das Feuer ausgelöst habe.
Schwermetall liegt in der Luft
Für Christel und Karl-Heinz Arnold ist das alles zweitrangig. Sie wissen noch nicht genau, wie es weitergeht. Immerhin haben die beiden das Glück, das ihre Kinder in der Nähe wohnen und sie dort kurzfristig unterkommen können. Zunächst aber wollen sie retten, was noch zu retten ist. Darum haben sie an diesem Montagnachmittag eine große Plastikbox dabei. Doch die Brandsachverständigen haben sie gewarnt, dass im Haus Schwermetalle in der Luft liegen. Darum tränken sie die Handtücher mit einem großen Schluck von dem in einem Kanister mitgebrachten destilliertem Wasser. Die so präparierten Handtücher halten sie sich vor Mund und Nase.
Karl-Heinz Arnold will seine Gitarren rausholen. „Die sind sicher alle verkohlt“, sagt seine Frau. „Die putze ich alle wieder sauber“, antwortet der leidenschaftliche Musiker. Schließlich seien die Instrumente teilweise 50 Jahre alt. „Das Wichtigste ist doch, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist“, sagt Christel Arnold noch, bevor die beiden durch die Eingangstür in das verkohlte Treppenhaus in Richtung ihrer ehemaligen Wohnung gehen. So gesehen hatten das Ehepaar und die fünf anderen Familien in dem Wohnhaus an der Graf-von Galen-Straße auch ohne Miniatur-Schornsteinfeger Glück im Unglück.