Der frühere Finanzminister Gerhard Stratthaus vertritt den früheren Innenminister Thomas Schäuble an der Spitze der Rothaus-Brauerei.

Rothaus – Gerhard Stratthaus hat im Nebenraum der Brauereigaststätte Rothaus Platz genommen. Der Ort Rothaus liegt in 1000 Meter Höhe unweit vom Schluchsee. Hier zu arbeiten ist schön. Gerhard Stratthaus darf das. Die Jahreszeit hat er sich aber nicht selbst ausgesucht. „Sonst hätte ich mich nämlich für den Sommer entschieden.“ Stratthaus lacht. Der ehemalige CDU-Finanzminister Stratthaus ist seit Anfang September hier, um den ehemaligen CDU-Innenminister Thomas Schäuble als Vorstand der Rothaus AG zu ersetzen. Schäuble leidet seit August an den Folgen eines schweren Herzinfarktes. Es scheint so, als werde der erkrankte Alleinvorstand nicht mehr nach Rothaus zurückkehren können. „Damit ist realistischerweise zu rechnen“, sagt Stratthaus nachdenklich.

 

Die grün-rote Landesregierung geht behutsam mit der Personalie um. Um Schäuble, der sich bis heute nicht äußern kann, die Chance zu geben, selbst zu entscheiden, wie es weitergehen soll, hat sich der Aufsichtsrat unter Leitung des Vorsitzenden, des Verbraucherschutzministers Alexander Bonde (Grüne), vorerst für eine Zwischenlösung entschieden: Stratthaus – bis dato selbst 14 Jahre Rothaus-Aufsichtsratschef – wurde im September als Vorstand bestellt, vorerst nur bis Ende des Jahres. „Wir brauchten schnell eine rechtlich fixierte Außenvertretung“, weist Stratthaus auf die Besonderheiten von Aktiengesellschaften hin, die nur ein einziges Vorstandsmitglied haben. Höchstens ein Jahr darf ein Vorstand vertreten werden. Stratthaus geht gar nicht davon aus, zwölf Monate den Chefsessel im holzgetäfelten Vorstandsbüro einzunehmen. Spricht doch vieles dafür, dass die grün-rote Regierung in den kommenden Monaten einen selbst ausgewählten Gesandten nach Rothaus schicken wird; so wie es bisher die CDU gemacht hat: erst der einstige Freiburger Regierungspräsident Norbert Nothhelfer, dann Schäuble, beide selbstverständlich mit dem Parteibuch CDU. Als unattraktiv gilt die Aufgabe mit einer jährlichen Vergütung von rund 350 000 Euro nicht.

Stratthaus schüttelt den Kopf, Rothaus sei keineswegs ein Versorgungsposten der jeweiligen Regierungsparteien. Im Vordergrund stünde die Eignung. Nothhelfer und Schäuble hätten bei der Brauerei hervorragend ihre unternehmerischen Fähigkeiten bewiesen. Jetzt brauche man eine kompetente Person. „Die politische Farbe darf dabei keine Rolle spielen“, sagt der CDU-Mann. Stratthaus macht eine Pause, grinst und sagt: „Es kann natürlich auch ein Grüner eine tüchtige Person sein.“

Tüchtiges Führungspersonal kann Rothaus gebrauchen; ist die landeseigene Brauerei doch am Ende der Fahnenstange angelangt. Zuvor ging es jahrelang bergauf, in den neunziger Jahren wurde der Ausstoß von 400 000 auf 800 000 Hektoliter (80 Millionen Liter) verdoppelt. Die Brauerei konnte verlangen, was sie wollte, die Gerstensaftflaschen wurden ihr aus den Händen gerissen.

Vor sechs Jahren verzeichnete Rothaus einen Rekordausstoß von 937 000 Hektolitern, seitdem geht es langsam bergab. Schäuble hat viel in Gang gesetzt, um die Rückgänge zu begrenzen. Er hat dafür gesorgt, dass Rothaus das Sortiment erweitert hat, jetzt wird Radler als auch alkoholfreies Bier abgefüllt. Um das Kistenschleppen zu erleichtern, wurden kleine Zehnergebinde auf den Markt gebracht. All dies hat dazu beigetragen, dass Rothaus heute wenigstens noch mehr als 850 000 Hektoliter absetzt. Und was hat Stratthaus jetzt vor? „Wir müssen weiter kämpfen, die Idee des traditionsreichen Schwarzwaldbieres ist gut, kann aber kein Ruhekissen sein.“ Stratthaus ist Brauereichef, kann aber immer noch reden wie ein Politiker.

Neben der abgeklärten Routine verfolgt der 70-Jährige ein Ziel: Er will, dass die Nachbarn in der nur 20 Kilometer entfernten Schweiz ihren Durst öfters mit Rothaus-Sorten löschen. „Die Schweiz bietet sich aus geografischen Gründen als Exportmarkt geradezu an“, schwärmt Stratthaus. Dass die Grenze vor der Haustür liegt, dürfte aber auch seinen Vorgängern nicht entgangen sein; mit den Eidgenossen Geschäfte zu machen gilt als nicht einfach. Das weiß auch Stratthaus: „Die Schweiz hat einen sehr offenen Arbeitsmarkt, es ist aber nicht leicht, in deren Gütermarkt einzudringen.“ Dennoch will er nach Wegen suchen, dass mehr südbadisches Bier in die Schweiz kommt. Dass der wieder aufflammende Fluglärmstreit zwischen Südbadener nund Schweizern das Image des Bieres beeinträchtigen könnte, hält er für ausgeschlossen. „Die Schweizer werden auf dieses Bier deshalb nicht verzichten.“

Stratthaus war Oberbürgermeister von Schwetzingen, er war Finanzminister in Baden-Württemberg, er war im Leitungsausschuss des Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin. In Schwetzingen hat er Haushalte von 20 Millionen Euro verantwortet, in Stuttgart von 40 Milliarden Euro, beim Soffin hat er Garantievergabemöglichkeiten von einer halben Billion Euro beaufsichtigt und jetzt der Chefposten bei Rothaus; Jahresumsatz stark 80 Millionen Euro. Stratthaus nimmt die Achterbahnfahrt der Verantwortlichkeiten gelassen: „Was beim Soffin die Milliarde war, ist hier nicht mal die Million.“ Letztlich komme es immer auf die Experten in der Organisation an. Das sei im Ministerium nicht anders als bei Rothaus. Die Arbeit funktioniere überall gleich: „Ich muss Meinungen anhören und alles einordnen und dann entscheiden.“