Die freie Hansestadt will als erstes Bundesland den Friedhofszwang liberalisieren. Die rot-grüne Landesregierung fordert, dass Hinterbliebene die Asche von Verstorbenen für zwei Jahre mit nach Hause nehmen können.

Bremen - Seltsame Begriffe schwirrten bei der jüngsten Bremer Bürgerschaftssitzung durch den Plenarsaal. Von „Friedhofszwang“, „Leichentourismus“ und „Urnenpolizei“ war da die Rede, als das Parlament über die Landtagsdrucksache 18/950 debattierte. Dabei trug der Antrag doch eine ganz harmlose Überschrift: „Bremer Bestattungsrecht novellieren und individuelle Bestattungsformen ermöglichen“. Doch was sich dahinter verbirgt, hat Sprengkraft: Als erstes Bundesland will Bremen erlauben, dass Hinterbliebene die Asche von Verstorbenen für zwei Jahre mit nach Hause nehmen können. So fordert es jedenfalls die rot-grüne Landtagskoalition, und auch die Linksfraktion stimmte für den Koalitionsantrag. Die Landesregierung, der Senat, soll einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

 

Bis jetzt gilt in Deutschland der sogenannte Friedhofszwang: Urnen- oder Erdbestattungen sind nur auf Friedhöfen erlaubt. Die einzige Ausnahme ist die Seebestattung. Die meisten anderen Staaten sind da liberaler, und auch immer mehr Menschen in Deutschland möchten selbst entscheiden, „welchen Weg der Trauer sie gehen und wie und wo die Bestattung erfolgen soll“. So steht es zumindest im Antrag Nummer 18/950. Und weiter: „Viele Angehörige haben den innigen Wunsch, die Urne mit der Asche des Verstorbenen bei sich zu verwahren.“

Und wenn die Urne aus Versehen auf dem Müll landet?

Daraus wird aber meistens nichts, weil deutsche Krematorien die Urne nicht herausrücken dürfen. Aus diesem Grund hat sich ein „Leichen- und Urnentourismus“ entwickelt, wie es in der Debatte hieß. Der Verblichene werde im Ausland eingeäschert und das Gefäß dann „heimlich im Kofferraum über die Grenze zurück nach Deutschland geschmuggelt“.

Zumindest für Bremer könnte sich das nun bald ändern – allerdings nur unter Auflagen: Opas Asche soll höchstens zwei Jahre auf dem Kaminsims oder der Fensterbank ruhen dürfen. Denn wer weiß, ob nicht auch die Oma bald stirbt und dann die Urne bei der Haushaltsauflösung auf der Müllhalde landet. Außerdem müssen die Hinterbliebenen schon eine Grabstelle für die spätere Beisetzung „reserviert und finanziert“ haben. Damit will man verhindern, dass jemand die Urne nur deshalb mit nach Hause nimmt, damit er keine Friedhofsgebühren zahlen muss.

CDU-Opposition findet die Pläne würdelos

Und das Wichtigste: der Verstorbene muss zu Lebzeiten bekundet haben, dass er mit dieser Form der Totenruhe einverstanden ist. Oder mit einer anderen Variante: seine Asche könnte verstreut werden, zumindest auf ausgewiesenen Friedhofsflächen oder vielleicht sogar in der freien Natur. Auch diesen Fall soll das geplante Gesetz regeln.

Die CDU-Opposition findet die Pläne würdelos. Ähnlich stehen die christlichen Kirchen dazu. Sie fordern einen „öffentlichen Ort“ der Bestattung, an dem auch andere Verwandte , Freunde und Bekannte um den Verstorbenen trauern können. Die CDU-Opposition treibt zudem die Frage um, wer mit welcher Methode kontrollieren soll, ob die Urne vom Kaminsims tatsächlich nach zwei Jahren unter die Erde kommt. Braucht die freie Hansestadt dafür womöglich eine „Urnenpolizei“?

Der rot-grüne Senat wird auch darauf eine Antwort finden müssen, wenn er jetzt bis zum nächsten Frühjahr einen konkreten Gesetzentwurf ausarbeitet.