Die Nachricht zum Ausstieg von Andreas Renschler kam überraschend. Daimler-Chef Zetsche versichert in einem Brief an die Mitarbeiter, dass der Mercedes-Produktionschef wirklich auf eigenen Wunsch ausscheidet.

Stuttgart - Daimler-Chef Dieter Zetsche hat in einem Brief an die Mitarbeiter versucht, dem abrupten Abgang des Mercedes-Produktionschefs Andreas Renschler die Brisanz zu nehmen und den Verdacht eines Streits im Vorstand auszuräumen. „In solchen Fällen heißt es oft, man habe sich in gegenseitigem Einvernehmen getrennt. Ich kann Ihnen versichern: In diesem Fall stimmt es“, heißt es in dem Schreiben, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt. „Andreas Renschler verlässt Daimler aus persönlichen Gründen. Ich respektiere seinen Entschluss, aber ich bedauere ihn auch“, versicherte der Vorstandschef. Andreas Renschler habe Wichtiges für Daimler geleistet, so Zetsche, bei den Lastwagen ebenso wie bei den Personenwagen. „Wir danken ihm nachdrücklich und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft.“Der Autokonzern hatte am Dienstagabend überraschend mitgeteilt, dass Mercedes-Produktionschef Renschler das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlasse und seine Aufgaben ab sofort ruhen lasse. Der Aufsichtsrat habe der Aufhebung des Vertrags einstimmig zugestimmt.

 

Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hat Renschler ein Angebot eines anderen Autoherstellers erhalten. Dabei soll es sich um Volkswagen handeln. Es wird spekuliert, dass Renschler die Führung des gesamten Nutzfahrzeugbereichs übernehmen könnte, zu dem auch Scania und MAN gehören. Daimler und VW hielten sich gestern sehr bedeckt. „Personalspekulationen kommentieren wir grundsätzlich nicht“, teilte ein VW-Sprecher auf Anfrage mit. Ähnlich äußerte sich Daimler.

Renschler verfügt über eine reichhaltige Erfahrung im Lkw-Geschäft. Bis zum vergangenen Jahr war er im Vorstand des Stuttgarter Konzerns für die Lkw-Sparte zuständig. Daimler ist der größte Nutzfahrzeughersteller der Welt mit mehreren Marken, zu denen neben Mercedes-Benz unter anderem auch Freightliner in den USA und Fuso in Japan gehören. Die Lkw-Sparte von Daimler hat Fabriken rund um die Welt. Renschler habe in seiner Zeit als Lkw-Chef die Sparte aus dem Flugzeug gesteuert, wie es bei Daimler in Anspielung auf die vielen Reisen des schwäbischen Managers heißt.

VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch träumt seit Jahren davon, einen Lkw-Riesen zu schaffen, der Daimler Paroli bieten kann. Mit zäher Energie und großer Geduld hat der Patriarch dafür gesorgt, dass sowohl MAN als auch Scania unter das Dach des VW-Konzerns gekommen sind. Die Schaffung einer schlagkräftigen Allianz aus MAN und Scania erweist sich jedoch als schwierig. Volkswagen hatte zum Herbst 2012 den früheren Scania-Chef Leif Östling in den Wolfsburger Konzernvorstand berufen. Er soll die Integration der Nutzfahrzeugtöchter Scania und MAN unter Einschluss der eigenen VW-Produkte voranbringen. Östling gerät Firmenkreisen zufolge immer stärker in die Kritik. Es gebe große Unzufriedenheit wegen des Stillstands in der Allianz von MAN und Scania, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Ein weiterer Insider sprach von wachsendem Unmut in der Konzernspitze. Östling fehle es an Visionen, um einen schlagkräftigen Verbund aus den beiden selbstbewussten Lkw-Konzernen zu formen. „Wir dementieren, dass es wachsenden Unmut in der Konzernspitze gibt“, sagte dagegen ein Sprecher des Wolfsburger Autokonzerns. Östling selbst war gestern nicht zu erreichen. Nach mehr als einem Jahr Amtszeit hätte man von Östling eigentlich eine Strategie für das Jahr 2020 erwartet, sagte einer der Insider. Beide Lkw-Marken für sich schlügen sich gut. Wie daraus jedoch eine Einheit entstehen solle, bleibe bislang im Dunkeln.

Der aus Schweden stammende ehemalige Scania-Chef poche stattdessen bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf die Eigenständigkeit der Marken und betone die Unterschiede zum Pkw-Geschäft. „Die Schweden sind manchmal etwas empfindlich“, meinte vor kurzem VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh.