Ausgerechnet die erste Thronrede, die Charles III. in der Rolle des Monarchen bestritt, enthielt eine zentrale Passage, die seinen Überzeugungen ganz und gar zuwider läuft.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Selbst seine bemerkenswerte Selbstkontrolle konnte über sein Unbehagen nicht hinwegtäuschen, inmitten des Pomps und der Zeremonien. Leicht fiel Charles III. das Verlesen der diesjährigen Thronrede – der jährlichen Regierungserklärung – am Dienstag in Westminster jedenfalls nicht. Ausgerechnet die erste Thronrede, die er in der Rolle des Monarchen bestritt, enthielt Passagen, die seinen Überzeugungen diametral zuwider laufen.

 

Denn Charles hatte sich als Kronprinz über Jahrzehnte hinweg leidenschaftlich für den Kampf gegen Klimawandel eingesetzt. Immer wieder hatte er die drohende globale Katastrophe als „die größte Herausforderung für die Menschheit“ bezeichnet und seine Zuhörer beschworen: „Das Leben von Milliarden Menschen hängt von Ihrer Reaktion darauf ab.“

Sunaks Herz für Autofahrer

Die von der Regierung verfasste Rede aber bekräftigte im Kern die von Premierminister Rishi Sunak angeordnete Abkehr vom Klimaschutz. Nachdem Sunak vor einigen Wochen bereits einen zeitlichen Aufschub des Übergangs zu Elektro-Autos und Wärmepumpen verkündet hatte, will er nun die Öl- und Gas-Ausbeutung in der Nordsee „maximal“ ausweiten, statt sie einzuschränken. Auch zur Jahrhundertmitte werde sich mindestens ein Viertel der britischen Energiegewinnung fossilen Brennstoffen verdanken, hatte die Regierungszentrale erklärt.

Einer der in der Thronrede enthaltenen Pläne, die in den nächsten Monaten Gesetz werden sollen, sieht vor, dass von nun an jedes Jahr neue Drill-Lizenzen ausgeschrieben werden. Sunak hält das für erforderlich „zwecks Sicherung der Energieversorgung“ für Großbritannien. Auch sollen die Mitbürger finanziell „nicht noch mehr“ überfordert werden. Man müsse das „realistisch“ sehen. Zugleich sollen Klimaschutz-Maßnahmen in Gemeinden, wie Tempolimits oder Gebühren für das Fahren alter Motoren im Stadtgebiet, wieder abgebaut werden. Er sehe sich „auf der Seite der Autofahrer“, erklärte der Tory-Regierungschef.

Diese Regierungspläne verlas Charles als Teil seiner verfassungsmäßigen Pflichten, ohne mit der Wimper zu zucken. Der König schluckte nur einmal kurz, als er zu sagen hatte, dass „meine Regierung weiter den Kampf gegen Klimawandel anführen“ und dafür sorgen wolle, „dass andere Länder sich an ihre Umweltverpflichtungen halten“.

Regierungschef Sunak hat das Unbehagen des Staatsoberhaupts vermutlich kaum gekümmert. Er hat selbst genug Probleme am Hals. Im kommenden Jahr sind Unterhauswahlen. Die Chancen stehen nicht gut für den Tory-Premier, der seit einem Jahr im Amt ist und sich nur wenig Beliebtheit erfreut. In Sunaks eigener Partei, in den Reihen der Konservativen, rechnet man für 2024 längst mit einer vernichtenden Niederlage: In Umfragen hat die Labour Party von Keir Starmer die Tories mit nahezu 20 Prozentpunkten Vorsprung abgehängt. Aber Sunak gibt sich nicht vorzeitig geschlagen.

In der Thronrede bezog Sunak Stellung gegen seine Labour-Herausforderer und steckte das Terrain für die kommende Wahl ab. In der Frage der Öl- und Gas-Förderung zum Beispiel hat sich Oppositionschef Starmer zwar bereit erklärt, die von Sunak unterzeichneten Verträge zu respektieren. Labour will aber keine neuen Verträge abschließen. Damit, so Sunak, gefährde Starmer „die nationale Sicherheit“.

Punkten mit scharfen Gesetzen

Generell hofft Rishi Sunak, mit seinen letzten Gesetzesvorhaben vor den Wahlen die Politik seiner Partei noch klar von derjenigen Labours abzugrenzen. Kommentatoren aller Lager sprachen denn auch am Dienstag von einer „äußerst politischen“ Thronrede.

Außer der Klima-Politik bildeten verschärfte Maßnahmen im Law-and-Order-Bereich einen Schwerpunkt der Rede. So plant die Regierung ein härteres Vorgehen bei Vergewaltigungen. Verurteilten Tätern soll in Zukunft keine vorzeitige Entlassung mehr zugestanden werden. Für die Täter schwerster Verbrechen solle nun „lebenslang wirklich lebenslang“ bedeuten. Wegen der Überfüllung der britischen Gefängnisse, sollen Häftlinge in angemietete Gefängniszellen im Ausland verlegt werden können. Und im Kampf gegen Terror, oder auch nur bei unbotmäßigen Protesten, will man die Schraube ebenfalls kräftig anziehen. Verboten ist künftig ferner „störendes Betteln“. Der Polizei soll es hingegen ohne Haussuchungsbefehl erlaubt werden, in private Wohnungen einzudringen, wenn sie den Verdacht hegt, dass sich dort „gestohlene Ware“ befinden könnte.

Zwar hat Sir Bob Neill, der konservative Vorsitzende des Justiz-Ausschusses in Westminster, erst jüngst erklärt, er sehe eigentlich keine Notwendigkeit für neue Gesetze auf diesen Gebieten. Die alten reichten seiner Ansicht nach vollkommen aus. Indessen hat Innenministerin Suella Braverman, die prominenteste Vertreterin der Tory-Rechten, schon seit Monaten schwere Geschütze gegen „Extremisten“, „hasserfüllte Demonstranten“ und „illegale Migranten“ aufgefahren. An dieser Front hoffen die Konservativen zu punkten gegen eine Opposition, die sich gegen populistische Parolen dieser Art sträubt.

Last Exit: Populismus

Darüber hinaus hofft Sunak die Wähler mit einem Sammelsurium weiterer Gesetzesvorhaben zu beeindrucken. So schlägt der Premierminister vor, die Altersgrenze für den Tabakkauf von derzeit 18 Jahren jährlich um ein Jahr zu erhöhen. Ziel ist, dass ein heute 14-Jähriger nie in seinem Leben legal eine Zigarette kaufen kann. Gewerkschaften sollen gezwungen werden, bei Arbeitskämpfen „ein Minimum an Dienstleistungen“ zu garantieren. Und für den Fußballsport ist ein unabhängiges Aufsichtsgremium geplant.

Dass solche Pläne Sunak noch rechtzeitig vor den Wahlen neue Sympathien eintragen, wird aber weithin bezweifelt. Die konservative Londoner Times zitierte jetzt führende Tories anlässlich der Thronrede mit den skeptischen Worten, es stehe alles in allem „nicht zu erwarten, dass sich dadurch sehr viel bewegen wird“.

Mehr Hoffnungen setzen Tory-Politiker in die Haushaltserklärung von Schatzkanzler Jeremy Hunt am 22.November. Da ist schon laut über mögliche Steuersenkungen spekuliert worden, obwohl Hunt selbst bislang keine in Aussicht gestellt hat.

King Charles dürfte auf seiner Rückkehr von Westminster in den Buckingham-Palast am Dienstagmittag reichlich erleichtert gewesen sein, seinen Auftritt im Oberhaus hinter sich gebracht zu haben. In drei Wochen, zur Eröffnung des Cop28-Klima-Gipfels der UNO in Dubai, wird der britische Monarch vor Staats- und Regierungschefs und Ministern aus 198 Nationen die Eröffnungsrede halten. Charles III. wird dann ein paar andere Botschaften auf dem Zettel haben.