Ein 80 Jahre alter Film erregt derzeit die Gemüter: Es zeigt die Queen als kleines Mädchen beim Hitlergruß. Die Briten gelten eigentlich als stolze Gegner der Nationalsozialisten.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Stuttgart - Beträchtliche Aufregung hat im Vereinigten Königreich am Wochenende das Boulevardblatt „The Sun“ ausgelöst – mit einem über achtzig Jahre alten Bild, auf dem die Queen als etwa siebenjähriges Mädchen mit gerecktem Arm und ausgestreckter Hand durch einen Palastgarten wandelt. In gleicher Haltung sind Schwesterchen Margaret und deren Mutter, die spätere Königinmutter Elizabeth, zu sehen. Onkel und Schwager Edward – Englands „Kurzzeitkönig“ von 1936 und ein ausgesprochener Hitler-Fan – taucht ebenfalls im Bild auf und scheint die Verwandtschaft zu der Pose anzustiften.

 

Das schwarzbraune Schaf der Windsors bringe der späteren Königin hier eindeutig „den Nazi-Gruß bei“, wie dieser „geheime Film von 1933“ zeige, kommentierte die „Sun“. Statt von „Ihren Königlichen Hoheiten“ müsse man, witzelte das Blatt, in dieser Situation wohl von „Ihren Königlichen Heilheiten“ sprechen. Das Bild, dessen Authentizität vom Hofe nicht bestritten wird, ist Teil eines 17 Sekunden langen Films, den die Sun nach eigenen Angaben „völlig legal“ erworben hat. Die Aufnahmen sollen 1933 oder 1934 im schottischen Schloss Birkhall gemacht worden sein – vermutlich vom Vater der Mädchen, Prinz Albert, der während der Kriegsjahre zusammen mit seiner Frau zum Symbol des britischen Widerstands gegen die Nazi-Bedrohung wurde.

Royalisten: Jemand will den Ruf der Queen beschmutzen

Die Veröffentlichung des bislang unbekannten Bildes löste am Sonntag einen Sturm der Entrüstung unter Royalisten aus. Hier wolle nur jemand den guten Ruf der Queen beschmutzen, war der Tenor der Proteste: Das Ganze sei damals doch offenkundig nur ein Ulk, eine Veralberung der Nazi-Geste gewesen. Es sei nicht fair, „so ein bisschen Familien-Jux“ ohne allen Kontext ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren, meint etwa der Hof-Biograf Hugo Vickers. Im Buckingham-Palast fand man die „Sun“-Aktion schlicht „enttäuschend“. Die Queen sei zu jener Zeit ein ahnungsloses Kind gewesen, versicherten Palastbeamte Reportern. Außerdem habe man damals ja nicht wissen können, wie sich „die Sache“ (mit den Nazis) weiter entwickeln würde.

Die „Sun“ wiederum – ein Massenblatt aus dem Hause Rupert Murdochs – verteidigte ihr „World Exclusive“: Sie habe einem „wichtigen Thema“ nachgehen wollen und das Bild sage ja „nichts Schlechtes über unsere Königin oder über ihre verstorbene Schwester und Mutter“ aus.

Historiker und Politiker wollen nun mehr erfahren

Falls der Film wirklich vom Vater der beiden Prinzessinen, dem späteren George VI., gedreht wurde, stellt sich die Frage, was die Szene für die beteiligten Erwachsenen wirklich bedeutete. Edwards Sympathien für die Nationalsozialisten waren nie ein Geheimnis. Nun aber möchten Historiker und Politiker auf der Insel gern mehr über die generelle Haltung des britischen Königshauses gegenüber dem Nationalsozialismus wissen. Als die Aufnahmen gemacht wurden, waren in Berlin immerhin schon die ersten Rassengesetze erlassen, die ersten Bücher verbrannt und das KZ Dachau in Betrieb genommen worden – und all diese Dinge waren bekannt in London.

Wie der Film zu der Redaktion der „Sun“ gelang ist noch unklar: Möglicherweise könnte er sich im Besitz der Edward-Witwe Wallis Simpson befunden haben. Denkbar ist freilich auch, dass das Filmchen oder eine Kopie davon im Runden Turm von Windsor oder in einem speziellen Lager des Britischen Filminstituts lag, und dass es von dort aus auf dunklen Wegen ans Licht der Sun gelangte.