Das Broken- Heart-Syndrom und das Happy-Heart -Syndrom können sich klinisch wie ein Herzinfarkt manifestieren und zu einer akuten Pumpfunktionsschwäche des Herzens führen. Es kommt deshalb häufig zu Fehldiagnosen zwischen beiden Erkrankungen.

Stuttgart - Ein angeblicher Herzinfarkt ist in fast bis zu fünf bis zehn Prozent der Fälle nicht das, wofür man ihn zunächst hält, sondern ein Broken-Heart-Syndrom. Oder es handelt sich, wie man neuerdings weiß, um ein Happy-Heart-Syndrom. Die Parallelen zwischen den beiden Syndromen und einem Herzinfarkt sind, was die Symptomatik und die akute Pumpschwäche des Herzens anbelangt, verblüffend. „Das Broken-Heart- und Happy-Heart-Syndrom sind nicht weniger lebensbedrohlich als ein Herzinfarkt“, sagt der Kardiologe Wolfgang Rottbauer vom Universitätsklinikum Ulm. Trotz aller Fortschritte in den letzten Jahren versterben noch immer rund 30 Prozent der Herzinfarkt- und vermutlich auch der Broken-Heart-Syndrom-Patienten vor dem Eintreffen im Krankenhaus. In beiden Fällen beträgt die Sterblichkeit im Krankenhaus etwa fünf bis sechs Prozent. „Diese Zahlen sind beängstigend hoch“, so der Ulmer Mediziner.

 

Um die Prognose der Patienten zu verbessern, sei eine richtige Diagnose sehr wichtig. Während ein Herzinfarkt meist die Folge arteriosklerotischer Ablagerungen in den Blutgefäßen ist, liege bei den beiden Syndromen kein Verschluss der Herzkranzgefäße vor. „Es ist vielmehr eine vorübergehende Kontraktionsstörung des Herzens, die zu einer akut verminderten Pumpleistung führt“, sagt Rottbauer. In der Akutphase sind typischerweise die gesamte Vorderwand und die Spitze des Herzens in ihrer Beweglichkeit deutlich eingeschränkt. „Es ist, als wenn das Herz in eine Winterstarre gefallen wäre“, so die Kardiologin Jelena Ghadri vom Universitätsspital Zürich. Beim genauen Blick auf die Wandbewegungen werde aber deutlich, dass es vier unterschiedliche Typen einer Bewegungsstörung gibt. „Die häufigste Störung ist jene, bei der das Herz wie ein japanischer Tonkrug, ein sogenannter Takotsubo, aussieht. Deshalb wird das Broken-Heart-Syndrom auch als Takotsubo-Syndrom bezeichnet“, erzählt Ghadri.

Symptome wie bei einem Herzinfarkt

Ghadri und ihr Kollege, der Kardiologie-Professor Christian Templin, haben die Daten von 485 europäischen und US-amerikanischen Patienten, bei denen das Broken-Heart-Syndrom diagnostiziert wurde, analysiert. Die Daten stammen alle von einem Register, das 2011 (www.takotsubo-registry.com) gegründet und weltweit von etwa 30 Zentren mit Informationen gespeist wurde. Die ersten Resultate wurden bereits 2015 im Fachblatt New England Journal of Medicine veröffentlicht. Bei 96 Prozent der Patienten stellten die Mediziner fest, dass Herzinfarkt-typische Symptome wie Brustschmerzen und Atemnot direkt nach negativen Emotionen auftraten: Das kann der plötzliche Tod des Ehepartners sein, Mobbing am Arbeitsplatz oder ein plötzlicher Unglücksfall in der Familie. „Inzwischen wissen wir aber auch, dass physische Ereignisse wie eine Operation, Hirnblutung oder Narkose bei Menschen mit einer gewissen Veranlagung ebenfalls Auslöser für ein Broken Heart Syndrom sein können“, berichtet Ghadri. Insbesondere bei physischen Ursachen könne das Syndrom jedoch unerkannt bleiben.

Bei einer anschließenden Feinanalyse zeigte sich, dass bei etwa vier Prozent aller Patienten ein emotionaler Stressor wie die Geburt eines Enkels, eine Überraschungsparty, ein Sieg des Lieblings-Rugbyteams, ein geknackter Lotto-Jackpot oder Ähnliches der Auslöser war. Analog zum Broken-Heart-Syndrom spricht man hier vom Happy-Heart-Syndrom. Warum nur vier Prozent? „Wir vermuten, dass es hierfür einen stärkeren Stimulus braucht als für das Broken-Heart-Syndrom “, sagt Ghadri. Was die Sterblichkeitsrate und die Erkrankungsschwere anbelangt, seien das Happy-Heart-Syndrom und das Broken-Heart-Syndrom etwa gleich.

Häufig trifft es Frauen in den Wechseljahren

Doch wie kommt es dazu, dass im Gehirn verarbeitete Emotionen beim Herzen eine „Winterstarre“ „verursachen? „Gehirn und Herz sprechen über Nervenfasern miteinander. Und die so zum Herzen gelangenden Signale führen dazu, dass dessen Fähigkeit, sich zusammenzuziehen, gestört und die Pumpfunktion eingeschränkt wird. Möglicherweise entsteht diese Störung, weil sich die kleinsten Blutgefäße verkrampfen“, so Ghadri. Mehr ist derzeit über die Achse Gehirn-Herz noch nicht bekannt. Auch warum vor allem Frauen nach den Wechseljahren betroffen sind, ist unklar. Die Hormone allein, so Ghadri, seien es wohl nicht. Vielleicht spiele es eine Rolle, dass Frauen emotionaler sind als viele Männer. Broken-Heart- und Happy-Heart-Syndrom ähneln nicht nur bei den Symptomen stark einem Herzinfarkt: „Das EKG und die für das Herz typischen Enzyme wie das Troponin sind in gleicher Weise verändert wie beim Herzinfarkt“, erzählt die Kardiologin. Erst mittels Herzkatheteruntersuchung ist es möglich, die genaue Diagnose Infarkt oder Syndrom zu stellen.

Das Takotsubo Syndrom ist bei weitem nicht so gutartig wie zunächst gedacht. „Es kann während des Krankenhausaufenthaltes bei etwa fünf Prozent der Patienten zu gefährlichen Komplikationen wie Kammerflimmern und Atemstillstand kommen“, warnen beide Kardiologen. Grundsätzlich ist es aber auch möglich, dass sich der Herzmuskel wieder voll erholt. Problematisch ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens einer akuten Pumpschwäche hoch ist. „Wir haben derzeit keine Möglichkeit, ein derartiges Ereignis zu verhindern“, so Rottbauer.

Jede Minute zählt

Beta-Blocker wirken sich zwar positiv auf die Stressbahnen zwischen Gehirn und Herz aus, scheinen aber nicht ausreichend wirksam zu sein, um ein Wiederauftreten der beiden Syndrome abzuwenden. „Was wir tun können, ist die Patienten auf der Intensivstation zu beobachten und Komplikationen zu managen“, sagt Rottbauer. Es ist laut Ghadri aber ratsam, dass die Patienten ihren Stress reduzieren. Entspannungsverfahren könnten hier vielleicht helfen. Sowohl Ghadri als auch Rottbauer empfehlen Betroffenen bei emotionalen Ereignissen möglichst vorsichtig zu sein, sofern das möglich ist, und regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen zu kommen. Und ganz wichtig: „Bei akutem Brustschmerz sollten Syndrom-Patienten möglichst schnell ein Krankenhaus aufsuchen oder den Notarzt rufen. Wie beim Herzinfarkt zählt jede Minute“, rät Rottbauer.

Wichtige Methoden für Herzuntersuchungen

E KG
Bei einem Elektrokardiogramm (EKG) wird die Summe der elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern aufgezeichnet. Das kann kurzzeitig, aber auch für längere Zeit passieren. Das EKG zeigt aber nur die Erregungsleitung innerhalb des Herzens an. Über die tatsächliche Pumpleistung kann es keine Aussagen machen.

Herzkatheter
Bei dieser Untersuchung werden die Herzgefäße mittels eines über die Hauptschlagader eingeführten und bis zum Herzen vorgeschobenen Kunststoffschlauchs untersucht. Dem Patienten wird ein Röntgenkontrastmittel in die Herzkranzgefäße gespritzt damit sie sichtbar werden und der Arzt den Eingriff am Bildschirm verfolgen kann. Man unterscheidet die häufigere Links-Herzkatheteruntersuchung und die seltenere Rechts-Herzkatheteruntersuchung. Mit der Links-Herzkatheteruntersuchung werden die linke Herzkammer und die Herzkranzgefäße untersucht sowie der Druck in der linken Herzkammer gemessen. Die Rechts-Herzkatheteruntersuchung erlaubt die Druckmessung in der rechten Herzkammer und den Lungenschlagadern.

Troponin
Dieser Eiweißstoff wird nur bei Herzmuskelschäden ins Blut freigesetzt. Erhöhte Troponin-Werte weisen auf einen Infarkt hin.