Gewerkschaften und Industrieverbände ziehen an einem Strang und fordern einen zeitweise staatlich gestützten Industriestrompreis. Sie fürchten, dass sonst energieintensive Unternehmen abwandern.
Verbände und Gewerkschaften üben in der Allianz pro Brückenstrompreis den Schulterschluss, weil sie die Zukunft energieintensiver Firmen in Deutschland in Gefahr sehen. Sie fordern eine schnelle Lösung in der Debatte um einen Industriestrompreis – ein zeitweise staatlich gestützter sogenannter Brückenstrompreis.
„Industrie steht am Scheideweg“
„Unsere Industrie steht am Scheideweg. Das Haus brennt, und wir brauchen den Brückenstrompreis dringend als Löschwasser“, sagt Markus Steilemann, Präsident der Chemischen Industrie (VCI). Es sei „fünf vor zwölf“ für die energieintensiven Industrien. Längst drohten Verlagerungen, Standortschließungen und der Verlust von Arbeitsplätzen, mahnen die Mitglieder der neu geschmiedeten Allianz. Hinter ihr stehen die Gewerkschaften IG Metall, DGB und IGBCE, die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Wirtschaftsvereinigung Metalle, der Verband der Chemischen Industrie und der Papier- und Glasindustrie sowie der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden.
Zusammen vertreten sie mehr als 1,1 Millionen Beschäftigte in über 8000 Firmen. Laut einer Studie hängen bis zu 2,4 Millionen Arbeitsplätze und gut 240 Milliarden Euro Wertschöpfung an den Unternehmen der energieintensiven Branchen in Deutschland.
Dass die Wirtschaft klagt, ist nicht ungewöhnlich. Dass Arbeitgeber und Gewerkschaften an einem Strang ziehen und selbst Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) für die Einführung eines Industriestrompreises ist, zeigt wie sehr die hohen Energiepreise belasten. Industriestrom ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ teuer, auch wenn Industrieunternehmen weniger zahlen als Privathaushalte. Laut Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, liegen die Stromkosten der Branche zwei-bis dreimal so hoch wie die europäischer und internationaler Wettbewerber.
Streit um subventionierten Strompreis
Die aktuell hohen Energiekosten, und die Tatsache, dass Deutschland mit die höchsten Industriestrompreise in Europa aufweise, verlangten faire Lösungen, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Anderenfalls drohten die Stahlerzeugung, die Aluminiumindustrie und weitere energieintensive Branchen eher früher als später aus Deutschland zu verschwinden. „Abwarten können wir uns schlicht nicht leisten“, heißt es beim DGB.
Innerhalb der Bundesregierung gibt es Streit um einen staatlich subventionierten Industriestrompreis. Wirtschaftsminister Habeck will für eine Übergangsphase einen „Brückenstrompreis“ von sechs Cent je Kilowattstunde für besonders energieintensive Betriebe. Auch die SPD-Fraktion will das. Die FDP lehnt einen Industriestrompreis ab, wie auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Die Allianz pro Brückenstrompreis bekennt sich in dem Schreiben, das an politisch Verantwortliche in Bund und Ländern ging, zum Industriestandort Deutschland und der Transformation zu einer klimaneutralen Produktion. Strom werde dabei immer wichtiger. Bis dieser in ausreichenden Mengen aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stehe, sei ein wettbewerbsfähiger, zeitlich begrenzter Brückenstrompreis notwendig.