Die amerikanische Autorin Joy Williams hat ihren eigenen Blick auf die Welt. Ihre „Stories“ sind so seltsam wie faszinierend, so abgrundkomisch wie tieftraurig. Höchste Zeit, sie in Deutschland zu entdecken.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Es heißt von Joy Williams, sie lege ihre Sonnenbrille nie ab, weder bei Tag, noch bei Nacht. Und vielleicht ist das mehr als das Detail einer Eitelkeit oder Marotte. Sonnenbrillen stehen für eine Form des Inkognitos, das wäre immerhin eine Erklärung dafür, weshalb die 79-jährige amerikanische Autorin immer noch viel weniger bekannt ist, als es dem Rang ihres Werkes entspricht. Es umfasst fünf Romane und ebenso viele Sammlungen mit Kurzgeschichten. Eine Auswahl letzterer erscheint nun auf Deutsch unter dem lakonischen Titel „Stories“. Man kann nicht sagen, dass es diese Geschichten darauf anlegen würden, gesehen zu werden. Sie sind spröde, seltsam, entziehen sich der Einordnung – aber wen sie einmal mit knochentrockenem Realismus in ihre verquere Welt gelockt haben, der will nicht mehr so schnell zurück. Es gibt Bücher, die leben vom Wiedererkennen. Joy Williams betrachtet die Wirklichkeit dagegen durch getönte Gläser – und da sieht manches ganz anders aus.