In dem Verein wird nicht gesungen. Die Mitglieder wollen das älteste Stilmittel des Theaters fördern: Das chorische Sprechen. Betrachtet und kommentiert werden hierbei auch die Geschicke der Stadt.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Dem Theater ist Nana Just schon immer eng verbunden gewesen. „Aber ich habe mich lange nicht getraut, das für mich in Anspruch zu nehmen“, sagt die Frau aus Vaihingen. Doch beim Bürgerchor sei das anders. Denn dort werden die Stücke immer gemeinsam vorgetragen: im Chor. „Es geht um das chorische Sprechen. Das ist das älteste Stilmittel des Theaters“, erklärt Nana Just.

 

Wie die Jungfrau zum Kind

Der Verein hat sich im Oktober 2011 gegründet. Nana Just ist die Vorsitzende. Zu ihrem Amt kam die Vaihingerin buchstäblich wie die Jungfrau zum Kind. 2010 machte sie bei einem Projekt des Theaterregisseurs Volker Lösch mit. Im Zeichen der Stuttgart-21-Proteste schrieb dieser das Stück „Metropolis und die monkey wrench gang“. Dafür suchte der Regisseur Mitstreiter: Menschen, die sich mit der Sache befasst hatten. Knapp drei Monate lang wurde geprobt. Dann gab es 28 Aufführungen im Schauspielhaus, oder besser gesagt in der Mercedes-Benz-Niederlassung an der Türlenstraße. Dort fanden während der Generalsanierung des Schauspielhauses die meisten Inszenierungen statt.

„Das war eine sehr intensive Zeit“, erinnert sich Just. Und als sie vorbeigewesen sei, sei die Gruppe geradezu in ein Loch gefallen. Lösch habe daraufhin vorgeschlagen, einen Bürgerchor zu gründen. Solche Vereine gibt es auch schon in anderen Städten wie beispielsweise in Dresden, Bremen und Hamburg. Gesagt, getan – und das durchaus mit Erfolg. Im vergangenen Jahr hat der Verein mehrfach zu literarisch-kulturhistorischen Rundgängen auf dem Hoppenlaufriedhof eingeladen. Mit diesen Veranstaltungen machte er auf die lange Vernachlässigung des Friedhofs und seiner Grabstätten aufmerksam und sammelte Spenden für die Restaurierung der Grabstätten.

Literarisch-kulturhistorischer Rundgang am Sonntag

Immerhin 1000 Euro kamen zusammen. Der Verein überwies den Betrag an die Denkmalstiftung Baden-Württemberg. Damit übernahm er die Patenschaft für die Restaurierung und Erhaltung des Grabmals für die im Alter von 15 Jahren verstorbene Christine Friederike Splitter mit einer Trauerskulptur von Johann Heinrich Dannecker. „Wir haben uns sehr über diesen Erfolg gefreut“, sagt Nana Just.

Nun wolle man daran anknüpfen. Am Sonntag lädt der Verein wieder zu einem seiner literarisch-kulturhistorischen Rundgänge ein. Die Mitglieder besuchen die Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten des Geisteslebens. Dabei werden jeweils Texte von und über die Toten im chorischen Sprechen vorgetragen. Zu den Stationen gehören unter anderem die Gräber von Gustav Benjamin Schwab, Friedrich Wächter, Wilhelm Hauff, Karl Etzel und Christian Reinhold Köstlin.

Klein, aber fein

Doch der Verein beschäftigt sich nicht nur mit Dichtern und Denkern. „Als Bürgerchor betrachten und kommentieren wir die Geschicke unserer Stadt, bringen Verborgenes, Unbekanntes, Erfreuliches und Unerfreuliches zu Gehör.“ So steht es in dem neu gedruckten Prospekt, mit dem der Verein weitere Mitglieder für sich gewinnen will. Derzeit hat er 13 Mitstreiter.

Klein, aber fein, findet Nana Just. Das Engagement in dem Verein und auch im Vorstand mache ihr viel Spaß. „Es ist eine sehr spannende, intensive und menschliche Arbeit“, sagt sie. Und die Resonanz ist da. „Am Anfang kamen eigentlich nur Freunde und Verwandte zu den Rundgängen“, sagt die Vaihingerin. Doch zuletzt seien rund 45 Leute da gewesen. „Es ist erstaunlich, was so ein Rundgang mit den Menschen macht“, sagt Nana Just. Die meisten seien sehr interessiert und gut informiert über die Stuttgarter Geschichte.