Nach Angaben von Aktivisten ist die Evakuierung aus dem ostteil Aleppos vorerst ausgesetzt. Bewaffnete hatten Busse, die für die Evakuierung bestimmt waren, in Brand gesetzt.

Beirut - Die Zivilisten in den letzten Rebellengebieten in Ost-Aleppo werden auf eine grausame Geduldsprobe gestellt: Nach tagelanger Ungewissheit wurden die Evakuierungen aus der syrischen Stadt sowie aus den von Rebellen belagerten Ortschaften Fua und Kafraja am Sonntagabend bis auf Weiteres ausgesetzt, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Auch im UN-Sicherheitsrat herrschte Uneinigkeit: Russland stellte sich gegen einen französischen Resolutionsentwurf zur Überwachung der Evakuierungen in Aleppo.

 

Die Evakuierungen seien infolge des Angriffs auf Busse ausgesetzt worden, die für Evakuierungen aus Fua und Kafraja in die beiden Ortschaften in der nordwestlichen Provinz Idlib geschickt worden waren, erklärte die oppositionsnahe Beobachtungsstelle. Sie verfügt über ein Netz aus Informanten in Syrien, von unabhängiger Seite sind ihre Angaben kaum zu überprüfen. Ein Vertreter der Rebellengruppe Nureddin al-Sinki bestätigte die Aussetzung der Evakuierungen. In der Nähe der mehrheitlich schiitischen Orte Fua und Kafraja hatten am Sonntag etwa zwei Dutzend Bewaffnete die Busse angegriffen. Ein AFP-Korrespondent beobachtete, wie die Angreifer die Busse stoppten, die Fahrer zum Aussteigen zwangen und die Fahrzeuge beschossen. Mindestens 20 Busse wurden in Brand gesetzt. Laut Beobachtungsstelle wurde ein Busfahrer getötet.

Tausende Menschen warten auf Evakuierung

Demnach steckte hinter der Attacke ein Streit zwischen der dschihadistischen Gruppe Fateh al-Scham - früher Al-Nusra-Front - und der ebenso extremistischen Rebellenorganisation Ahrar al-Scham über die Evakuierungen. Laut einem Rebellenvertreter hatte die syrische Regierung die Evakuierung der beiden Dörfer zur Bedingung für weitere Evakuierungen in Ost-Aleppo. Auch eine Evakuierung der beiden Städte Sabadani und Madaja in der Provinz Damaskus, die von regierungstreuen Einheiten belagert werden, war demnach geplant. Zunächst war am Samstag von einem Rebellenvertreter die Fortsetzung der Evakuierungen angekündigt worden. Laut amtlicher Nachrichtenagentur Sana fuhren am Sonntag Busse unter der Aufsicht des Roten Halbmonds und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in die Stadtteile Sabdijeh, Salaheddin, al-Maschad und al-Ansari im Osten von Aleppo.

Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, waren am frühen Abend mehr als 30 Busse voll mit Menschen, die auf die Wiederaufnahme der Evakuierungen warteten. Tausende weitere Menschen warteten bei Minusgraden auf der Straße oder in zerbombten Häusern. Der Familienvater Abu Omar sagte, er habe am Freitag und Samstag stundenlang vergeblich am Startpunkt der ersten Bustransporte gewartet. Die Menschen im Osten von Aleppo hätten weder Lebensmittel noch Trinkwasser. Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatte am Donnerstag Aleppos „Befreiung“ von den Rebellen verkündet. Eine mühsam ausgehandelte Evakuierungsaktion begann, nach Angaben von Aktivisten wurden rund 8500 Menschen aus den zerstörten Stadtvierteln gebracht, darunter 3000 Kämpfer. Am Freitag brach die syrische Armee die Evakuierungen jedoch ab. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Steinmeier fordert schnelle Fortsetzung der Evakuierung

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte am Samstag eine schnelle Fortsetzung der Evakuierungen. Angesichts der extrem schwierigen Bedingungen zähle „buchstäblich jede Stunde“, mahnte er. Unmittelbar vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates zu Aleppo kündigte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin an, dass sein Land den von Frankreich vorgelegten Resolutionsentwurf blockieren und stattdessen einen eigenen Text vorlegen werde.

Der französische Resolutionstext sei „ein Desaster“. Der von Frankreich eingebrachte Resolutionsentwurf sieht vor, dass sich der Sicherheitsrat „alarmiert“ über die humanitäre Lage in Aleppo äußert und sich für eine Überwachung der Evakuierungen in Aleppo durch Beobachter ausspricht. Wie AFP nach Einsicht in den russischen Resolutionsentwurf berichtete, sieht dieser zwar „Vereinbarungen“ zur Überwachung der Lage in Aleppo vor, nennt aber nicht ausdrücklich die Entsendung von Beobachtern. Am Dienstag wollen die Außenminister von Russland, der Türkei und dem Iran über Syrien beraten