85 Prozent der Menschen leben gerne in Stuttgart - auch wenn es so manche Klage gibt. Zum Beispiel über hohe Mieten und zunehmenden Verkehr.

Stuttgart - Der Bürgermeister Martin Schairer (CDU) redet nicht lange um den heißen Brei herum: "Unsere Bürgerumfrage, die wir seit 1995 alle zwei Jahre anstellen, ist repräsentativ - das kann man vom sogenannten Bürgerhaushalt über das Internet wirklich nicht sagen." Ein Seitenhieb ist das gegen den Gemeinderat, der auf Antrag der SPD-Fraktion vor einem Jahr beschlossen hatte, bei der Aufstellung des städtischen Etats für 2012/2013 erstmals das Experiment einer Volksbeteiligung via Internet zu wagen - was im Blick auf die Ergebnisse dem Zufall Tür und Tor öffnet. Die traditionelle Bürgerumfrage hingegen basiere auf einem wissenschaftlichen Prinzip, so Schairer: 8600 Bürger über 18 Jahre, die in Stuttgart ihren ersten Wohnsitz haben, wurden im Frühjahr angeschrieben, "die Hälfte hat mitgemacht, so viele wie noch nie". Deshalb messe er den Resultaten eine höhere Bedeutung bei als dem Bürgerhaushalt. Die Umfrage zeichne, so Schairer, "ein differenziertes, in sich stimmiges Ergebnis".

 

Lebensqualität: Seit es diese Form der Bürgerumfrage gibt, erklären mehr als achtzig Prozent der Befragten, dass sie gerne in Stuttgart leben, 2011 waren es 85 Prozent. Nur fünf Prozent gaben an, "lieber im Umland zu wohnen", nur sieben Prozent würden "lieber woanders in Deutschland wohnen". Die Lebensqualität in der Landeshauptstadt schätzen zwanzig Prozent als "sehr gut" ein, 65 Prozent als "gut" und 14 Prozent als "mittel" - nur ein Prozent der Befragten urteilte mit "schlecht". Dazu Martin Schairer: "Wir verzeichnen in Sachen Lebensqualität 2011 einen leichten Rückgang bei der Beurteilung der Lebensqualität, müssen dabei aber bedenken, dass ein Wohlfühlfaktor von über achtzig Prozent ein extrem hoher Wert ist."

Positives: Was schätzen die Bürger in Stuttgart am meisten? Die "Hitparade" der Zufriedenheit wird angeführt von den Einkaufsmöglichkeiten, mit denen 87 Prozent "zufrieden" oder sogar "sehr zufrieden" sind. Danach folgen die öffentlichen Verkehrsmittel, die ärztliche Versorgung und die Krankenhäuser, das kulturelle Angebot sowie die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten. 25 verschiedene Bereiche standen den Bürgern dabei zur Auswahl.

Image: Nahezu unverändert schätzen die Bürger die Eigenschaften und den Ruf ihrer Stadt ein. Sie sehen Stuttgart als Automobilstadt, die wirtschaftskräftig, lebenswert, gastlich und sicher ist. Außerdem gilt Stuttgart bei seinen Einwohnern als starker Messestandort und als Kulturstadt. Die Werte für die Sportstadt sind seit den Umfragen von 2007 und 2009 leicht gesunken.

Probleme: Trotz einer positiven Grundstimmung, von der die Umfrage über die Jahre hinweg gekennzeichnet ist, nutzen die Bürger den Fragebogen der Stadt immer intensiv auch dazu, das anzukreuzen, was ihnen missfällt und was sie möglichst geändert sehen möchten. 27 verschiedene Problemfelder waren vorgegeben. Laut Schairer hat "jeder Befragte, statistisch betrachtet, im Durchschnitt 6,5Probleme benannt". Die Rangfolge habe sich in den vergangenen zwei Jahren nicht geändert: "Zu hohe Mieten nennen 61 Prozent, zu wenig Parkmöglichkeiten in der Innenstadt 57 Prozent, und 55 Prozent klagen über zu viel Straßenverkehr", so der Bürgermeister. Danach folgten Stichworte wie zu hohe kommunale Steuern, Gebühren und Abgaben, das mangelnde Wohnungsangebot sowie die angespannte Finanzlage der Stadt. Martin Schairer sagt: "Die Kritik an zu wenig Parkmöglichkeiten in der Innenstadt ist nicht neu - Tatsache bleibt aber auch, dass wir nach wie vor Tausende von Stellplätzen in Parkhäusern haben." Zum Thema öffentliche Sicherheit sagt der Ordnungsbürgermeister: "Sie wird deutlich besser beurteilt als früher, das zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Wege sind."

Stadtetat: In wenigen Wochen beginnen die Beratungen über den Doppelhaushalt der kommenden zwei Jahre. Dazu geben die Bürger den Kommunalpolitikern eine klare Liste von Wünschen mit auf den Weg. Auf die Frage, wofür die Stadt künftig mehr Geld ausgeben sollte als bisher, steht der Ausbau von Kindergärten und Tagheimen klar an der Spitze - gefolgt von Schulen und Berufsschulen sowie der Straßenunterhaltung (siehe die Tabelle). Eher Geld einsparen sollten die Stadträte - so der Bürgerwille - etwa beim Bau neuer Straßen oder beim Bau von Begegnungsstätten. Weit überwiegend aber plädieren die Bürger dafür, die Ausgaben unverändert zu lassen.

Alle Tabellen zum Thema finden Sie hier.

Die Stadt und die Meinungen der Bürger

Historie: Seit 1995 macht das Statistische Amt der Stadt Stuttgart alle zwei Jahre eine Bürgerumfrage. Sie gilt als repräsentativ, weil die Beteiligung hoch ist; außerdem bleibt die Struktur des Fragenkatalogs unverändert, so dass sich über einen längeren Zeitraum klare Trends erkennen lassen. 2011 hat die Stadt genau 8636 Fragebogen verschickt, 4304 kamen zurück – das entspricht knapp 50 Prozent. Fazit: so hoch war die Beteiligung noch nie.

Ergebnisse: Das umfangreiche Material zur Bürgerumfrage 2011 mit Tabellen und Erläuterungen gibt es im Internet unter www.stuttgart.de. Die Resultate speziell zu Stuttgart21 sind bereits Ende Juli veröffentlicht worden und ebenfalls dort nachzulesen. Wie berichtet, war darin ein deutlicher Meinungsumschwung zum Ausdruck gekommen – wonach Stuttgart21 inzwischen mehrheitlich positiv gesehen wird.

Stadtetat: Die Beratungen zum Doppelhaushalt 2012/13 beginnen am 6. Oktober mit der sogenannten Einbringung durch den Stadtkämmerer Michael Föll. Am 20. Oktober folgt die allgemeine Aussprache, beides in öffentlicher Ratssitzung. Am 15. und 16. Dezember wird der Stadtetat, der ein Volumen von mehr als vier Milliarden Euro besitzt, in wiederum öffentlichen Sitzungen verabschiedet.