Der Generalbundesanwalt hat im Jahr 2017 mehr als 1000 Verfahren wegen des Verdachts des islamistischen Terrorismus eingeleitet. So viel wie nie zuvor. Juristisch geraten nun besonders Frauen in den Blick, die in das IS-Gebiet gereist sind, um dort mit Kämpfern Kinder zu zeugen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Es ist ein erschreckender Rekord. 1210 Verfahren wegen Terrorverdacht hat die die Bundesanwaltschaft im vergangenen Jahr eingeleitet, davon waren 1031 dem islamistischen Terror zuzuordnen. Zum Vergleich: 2014 waren es 70 Verfahren mit einem islamistischen Hintergrund, 2015 waren es 107 und 2016 dann 200. Trotz Personalverstärkung sei dieser Zuwachs nicht mehr allein durch seine Behörde zu bearbeiten, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank bei der Vorstellung der Jahresbilanz in Karlsruhe. Insgesamt seien die Ermittlungen gegen 486 Beschuldigte an die Länder abgegeben worden, die Mehrzahl der Verfahren betraf dabei Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

 

Schicksal vieler deutscher Dschihadisten ist unklar

Das Gesetz spricht dabei von Fällen „minderer Bedeutung“. Bei der Masse der an die Länder abgegebenen Verfahren gehe es um so genannte „einfache Kämpfer“ sagte Frank, Männer, die in Syrien oder dem Irak beim IS, der Jabhat al-Nusra oder einer anderen Terrororganisation aktiv waren. Wie die Entwicklung in diesem Jahr weiter gehe hänge nun unter anderem davon ab, was die deutschen Dschihadisten machen, die sich noch im Irak und Syrien aufhalten, sagte Frank. Rund 1000 Personen seien nach Schätzungen der Sicherheitsbehörden dorthin ausgereist, 100 bis 150 ums Leben gekommen. Rund 300 sind wieder zurück in Deutschland. 600 Personen bleiben nach dieser Rechnung übrig, von denen ist wenig bekannt.

Unklar ist es auch noch, wie der Bundesgerichtshof die Frauen beurteilt, die von Deutschland aus nach Syrien oder in den Irak gereist sind, um dort einen Kämpfer zu heiraten und mit ihm Kinder zu zeugen – um diese dann nach der Ideologie der Terrororganisation zu erziehen. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft machen sich diese Frauen der Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation schuldig, auch dann, wenn sie nicht eigenhändig für diese Organisation gekämpft haben. Ob das vom Gericht ebenso gesehen wird kann sich noch in diesem Jahr entscheiden. Die Höchststrafe in Deutschland läge in diesem Fall bei zehn Jahren Haft. Nach Angaben Franks habe seine Behörde Kenntnis von zehn Frauen, die nun im Irak und in Syrien in Haft seien. Im Irak ist vor wenigen Tagen eine deutsche Frau mit marokkanischen Wurzeln wegen IS-Mitgliedschaft zum Tode verurteilt worden.

Terror von links und rechts hält an

Neben dem islamistisch motivierten Terror blickt Frank „mit Sorge“ auf die links- und rechtspolitisch motivierten Aktionen. „Das Gewaltpotenzial sei dabei nicht geringer geworden“. Vom zahlenmäßigen Rückgang der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte dürfe man sich „nicht in Sicherheit wiegen“, sagte Frank. Zugleich erinnerte er an die wachsende Reichsbürgerszene auf der rechten Seite und die linkspolitisch motivierte Gewalt während des G-20-Gipfels- in Hamburg.