Horst Köhler ist als Bundespräsident zurückgetreten. Nach dem ersten Schock wird bereits über seine Nachfolge spektuliert.

Berlin - Bundespräsident Horst Köhler hat die schwarz-gelbe Koalition mit seinem sofortigen Rücktritt in schwere Turbulenzen gestürzt. Hintergrund für den historisch beispiellosen Rückzug sind umstrittene Äußerungen des 67-Jährigen zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Ein Nachfolger muss bis zum 30. Juni gewählt sein. Angesichts der Euro-Krise und des schwindenden Rückhalts in der Bevölkerung steht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) damit vor einer weiteren schweren Belastungsprobe.

Merkel zeigte sich am Montag in Berlin tief betroffen. Köhler habe sie erst am Mittag überraschend angerufen und informiert. Der Versuch, ihn umzustimmen, "ist leider nicht gelungen". Sie bedauere die Entscheidung "aufs Allerhärteste". Köhler sei sechs Jahre lang ein Präsident der Bürger gewesen und ein wichtiger Ratgeber in der Wirtschafts- und Finanzkrise. Er habe "das Ansehen unseres Landes gestärkt", sagte die Kanzlerin. In den nächsten Tagen werde sich die Regierung die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, die den Köhler-Nachfolger wählt, anschauen und die weiteren Schritte überlegen.

Wer Nachfolger Köhlers wird, ist offen - gehandelt werden unter anderem Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU). Köhler war als Kandidat von Union und FDP im Mai 2004 gewählt und 2009 für fünf Jahre bestätigt worden. In der ersten Amtszeit genoss Köhler in der Bevölkerung enorme Zustimmung. Zuletzt wurde kritisiert, er habe sich trotz der dramatischen Krisen zu wenig zu Wort gemeldet. Wichtige Berater hatten in den vergangenen Monaten das Präsidialamt verlassen.

Köhler sagte im Schloss Bellevue: "Ich bedauere, dass meine Äußerungen in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnten." Die Unterstellung, er befürworte Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt seien, entbehre jeder Rechtfertigung. "Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen." Der Bundespräsident hatte Auslandseinsätze der Bundeswehr auch mit Wirtschaftsinteressen begründet und damit heftigen Widerspruch ausgelöst. Später ließ er seine Äußerungen präzisieren. Die Afghanistan-Mission sei nicht gemeint gewesen.

Köhler dankte den Menschen, die ihm vertraut hätten. "Ich bitte sie um Verständnis für meine Entscheidung." Ehefrau Eva Luise stand dabei an seiner Seite. Beim Verlesen der Erklärung hatte er Tränen in den Augen. Streckenweise versagte ihm die Stimme. Direkt danach verließ er Schloss Bellevue in einer Limousine. Der Bremer Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) übernahm als Bundesratspräsident vorläufig die Amtsgeschäfte.