Am kommenden Montag wird die Linkspartei aller Voraussicht nach den Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl präsentieren. Dem bleibt nicht mehr als eine Außenseiterrolle – doch die will er für seine Anliegen nutzen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Geschichte der Linkspartei-Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl ist keine glorreiche. Weil sie nie die Chance haben, über einen Achtungserfolg hinauszukommen, und weil ein Spaß-Wettbewerb um das höchste Amt im Staate als unangemessen gilt, hat sich die Linke stets schwer getan, weithin anerkannte Persönlichkeiten aufzubieten. Dennoch ist der Partei dieses Signal der Eigenständigkeit gegenüber dem politischen Establishment (zu dem sie selbst längst gehört) so bedeutend, dass sie darauf nicht verzichten mag. Es ist zudem eine günstige Gelegenheit, ihre Kernthemen für einen längeren Zeitraum in der öffentlichen Diskussion zu halten.

 

Diesmal ist es den Linken ein besonderes Anliegen, einen Kontrapunkt zu setzen, weil der Kandidat der großen Koalition, Frank-Walter Steinmeier, zu den Konstrukteuren der Agenda 2010 an der Seite Gerhard Schröders gehört hat und zudem keine Anti-Kriegs-Politik nach ihren Vorstellungen betreibt. Den SPD-Mann zu wählen, käme den meisten Linken einem Verrat an ihren Prinzipien gleich. Rot-Rot-Grün im Bund wird durch ihn unwahrscheinlicher.

Schon 2012 in der engeren Auswahl der Linken

So gesehen hat die Partei in dem Armutsforscher Christoph Butterwegge einen ideologisch klar zu verortenden, aber auch seriösen Sozialwissenschaftler gefunden, der zumindest auf seinem Fachgebiet dem künftigen Staatsoberhaupt argumentativ Paroli bieten kann. Dies könnte die Debatte über die soziale Entwicklung der Republik noch beleben. Der 65-jährige gebürtige Münsterländer ist im Ruhrgebiet groß geworden, hatte zuletzt in Köln acht Jahre eine Politik-Professur inne und wurde erst kürzlich emeritiert. Butterwegge ist kein Eiferer, aber ein beharrlicher Kämpfer gegen die in seinen Augen von Rot-Grün forcierte neoliberale, marktradikale Politik. Er sagt, die soziale Spaltung sei bewusst herbeigeführt worden. Gleich zweimal war er selbst Sozialdemokrat: Zu Zeiten von Kanzler Helmut Schmidt wurde er wegen Kritik an diesem 1975 aus der SPD rausgeworfen und trat in der Ära von Gerhard Schröder wieder ein – um aus Protest gegen die Agenda-Politik 2005 dies erneut zu revidieren. Seither ist er parteilos, wenngleich mit einer Sozialistin verheiratet. Bereits 2012 war Butterwegge als möglicher Bewerber um das Präsidentenwahl in der engeren Auswahl der Linken, wurde da aber ein Opfer ihrer damaligen tiefen Zerstrittenheit. Um eine Kampfabstimmung im Bundesvorstand zu verhindern, zog er zurück – wie kurz darauf auch Luc Jochimsen.

Schillernde Kandidatenriege

Am Ende blieb nur Beate Klarsfeld übrig – eine Kandidatin aus Versehen. Fortan setzte die Nazi-Jägerin keine inhaltliche Glanzlichter, zog aber wegen ihrer bewegten Vergangenheit Aufmerksamkeit auf sich. In der Bundesversammlung erhielt Klarsfeld drei Stimmen mehr, als die Linkspartei Delegierte entsandt hatte. Die frühere Journalistin und Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen war 2010 gegen Christian Wulff und Joachim Gauck ins Rennen gegangen, sammelte in den ersten zwei Wahlgängen die erhofften Stimmen ein und trat dann nicht mehr an. 2009 hatte die Linke den früheren „Tatort“-Kommissar Peter Sodann gegen Horst Köhler aufgeboten. 1999 nominierte die PDS Uta Ranke-Heinemann gegen Johannes Rau, fünf Jahre später verzichtete die Linkspartei-Vorgängerin. Angesichts der schillernden Kandidaten-Galerie schwant Butterwegge bereits, dass sein Ruf leiden könnte. „Das Risiko ist groß, dass ich nach der Wahl des Bundespräsidenten nur noch als unterlegener Kandidat gesehen werde und als Wissenschaftler weniger ernst genommen werde“, befürchtet er.