Für die Südwest-Grünen um Winfried Kretschmann ist das Ergebnis der Bundestagswahl ein Fiasko. Besonders mit dem Steuerwahlkampf von Trittin und Co. werden die Realos abrechnen. Die CDU will nach dem Triumph nun auch im Land wieder an die Macht.

Stuttgart - "Wow" und "Jawoll": Die CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag jubelt bei der Prognose um 18.00 Uhr gleich zweimal - über das glänzende Resultat der eigenen Partei und über das schlechte Abschneiden der Grünen. Nach dem Trauma des Machtverlustes bei der Landtagswahl 2011 und der Affäre um ihren Ex-Regierungschef Stefan Mappus fühlt sich die Landes-CDU mit dem besten Bundestagswahlergebnis seit 1987 wieder im Aufwind - und in ihrer Kritik an der grün-roten Landesregierung bestärkt. "Die CDU im Südwesten ist wieder voll da. Wir haben ein dickes Stimmenpaket in Berlin abgeliefert", freut sich Landeschef Thomas Strobl angesichts von rund 46 Prozent der Stimmen.

 

Vergessen ist das "Loser"-Image, das selbst CSU-Chef Horst Seehofer den Parteifreunden im Südwesten andichtete. Dagegen schaffte es die FDP in ihrem Stammland nur mit Ach und Krach über die Fünf-Prozent-Marke - ein Desaster. Die Liberalen werden damit für die Union ein immer unsicherer potenzieller Koalitionspartner im Land.

Aber auch der grün-roten Koalition im Land geben die Wähler zur Halbzeit der Legislatur einen Denkzettel. Für die Grünen ist dieser Dämpfer nach Erfolgen bei der letzten Kommunal- und der Landtagswahl sowie bei der Stuttgarter OB-Wahl besonders schmerzlich. Fast drei Punkte im Vergleich zu 2009 haben sie im Land verloren und sind gerade mal bei gut 11 Prozent gelandet. Jetzt muss sich der von Realos geprägte Landesverband bis zur Landtagswahl 2016 überlegen, ob er sich dem Linksruck im Bund entziehen und einen eigenständigeren Südwest-Kurs fahren kann und will.

Selbst der bis Unionskreise populäre Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) konnte nicht verhindern, dass die "Steuerkeule" seiner Partei gerade die gutbürgerlichen Wähler abschreckte, die sie der CDU bei der Landtagswahl 2011 abluchsen konnte. Auch die mittelständischen Firmen, bei denen der grüne Slogan "Mit grünen Ideen schwarze Zahlen" durchaus auf fruchtbaren Boden fällt, glaubten den Beteuerungen nicht, ihr Betriebsvermögen werde verschont. In der Debatte um die Steuererhöhungen sind die Grünen im Land nach Ansicht auch interner Kritiker zu schnell eingeknickt.

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Experten wie der Tübinger Politologe Hans-Georg Wehling sehen die Südwest-Grünen unter der Dominanz der linken Parteifreunde leiden: "Die norddeutschen Grünen haben keine Antenne für die Befindlichkeiten im Süden. Das kostet die Grünen hier was." Auch Kretschmann fordert von seiner Partei nun eine schonungslose Analyse: "Wir können offensichtlich nicht alles richtig gemacht haben nach so einem Ergebnis." Der dem linken Flügel zuzuordnende Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zeigt dagegen weniger Selbstkritik und macht die Medien und deren vermeintlich grünenfeindliche Kampagne für die Watschen mitverantwortlich.

Die grün-rote Haushaltspolitik könnte im Fall einer großen Koalition im Bund einfacher werden. In die bisherige Planungen für einen Abbaupfad zur Netto-Null-Verschuldung im Jahr 2020 sind von 2015 an jeweils 400 Millionen Euro vom Bund einbezogen, die durch einen höheren Einkommenssteuer-Spitzensatz eingespielt werden sollten. Diese Rechnung könnte nun wenn nicht voll, doch vielleicht zum Teil aufgehen, wenn die Genossen in Berlin ein Wörtchen mitzureden haben. Vor allem Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hofft für die teuren Reformprojekte wie die Ganztagsschule auf Finanzspritzen vom Bund.

Die Sozialdemokraten haben sich im Vergleich zu ihrem historisch niedrigen Ergebnis 2009 von 19,3 Prozent nur geringfügig verbessert, schienen am Abend aber die 20-Prozent-Marke übersprungen zu haben. Diese magere Ausbeute wird Vize-Regierungschef und Finanzminister Nils Schmid (SPD) das Leben nicht leichter machen. Der neben Landesvater Kretschmann blass wirkende SPD-Landeschef wird beim Parteitag im Oktober einen schweren Stand haben. Dass Schmid alles auf den "Merkel-Effekt" schiebt, wird den Delegierten als Analyse wahrscheinlich nicht reichen.

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CDU-Landeschef Strobl kann das glänzende Abschneiden seiner Partei als Schub für seinen Modernisierungskurs werten: Er möchte die Union im Südwesten frauenfreundlicher, diskussionsfreudiger und grüner machen. Bei der Landtagswahl 2016 will der nun heiße Kandidat für eine Spitzenkandidatur dafür sorgen, dass die Niederlage von 2011 nur als "Betriebsunfall" in die Geschichte des Landes eingeht.

Bei der FDP herrscht Weltuntergangsstimmung: In ihrem Stammland ist sie mit 6,1 Prozent dramatisch unter ihrem Rekorderergebnis von 18,8 Prozent von vor vier Jahren geblieben. Das miserable Resultat dürfte personelle Fragen aufwerfen: Fühlt sich die gebeutelte Landeschefin Birgit Homburger noch stark genug, beim Landesparteitag im November erneut zu kandidieren? Träte sie an, müsste sie sich womöglich mit Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, dem Innenexperten und Landesvize Hartfrid Wolff oder auch mit dem bisherigen Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel messen. Niebel kann allerdings nicht mit breiter Brust zum Parteitag kommen: Er stürzte in seinem Wahlkreis Heidelberg auf 3,1 Prozent ab.