Die Parteiführung der Linken stellt ein radikales Wahlprogramm vor. Vor allem Großverdiener sollen deutlich mehr zahlen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Endlich über Inhalte reden, lautet das Kardinalziel der Linkspartei-Chefs – nicht mehr über Personen. Dies scheint auch zu gelingen, als Katja Kipping und Bernd Riexinger am Dienstag den Entwurf für das Bundestagswahlprogramm vorstellen – bis doch noch eine Frage zu Oskar Lafontaine kommt. Angeblich wolle er als Spitzenkandidat neben dem Achterteam der Linken antreten. Stimmt das? Bis Anfang Mai müsse Lafontaine entscheiden, ob er sich auf die Landesliste im Saarland setzen lasse, sagt Riexinger. Doch „die Frage des Spitzenteams ist abgeschlossen“.

 

Sie wollen sich freimachen von den, so Riexinger, „einsamen Häuptlingen“. Genauso schwer erscheint es, interne Bösartigkeiten abzustellen. So war vorab lanciert worden, die Linke wolle Einkommen ab 40 000 Euro im Monat mit 100 Prozent besteuern. Nun heißt es im 84-seitigen Programmentwurf, dass der Spitzensteuersatz ab einem Einkommen von 65 000 Euro im Jahr auf 53 Prozent angehoben werden soll. Jeder Euro über einer Million soll mit einer „Reichensteuer“ von 75 Prozent belegt werden. Um „sittenwidrige“ Gehälter zu beseitigen, könne man doch bei den staatlichen Unternehmen anfangen, schlägt Kipping vor: etwa bei Bahn-Chef Rüdiger Grube, der das 86-fache Einkommen eines Zugbegleiters im Nachtdienst erhalte.

Flächendeckender Mindestlohn von zunächst zehn Euro

Zudem steht eine Millionärssteuer auf der Wunschliste, bei der die erste Million des Vermögens steuerfrei bleibt. Danach wird ein Steuersatz in Höhe von fünf Prozent erhoben. Für ein privates Geld- oder Immobilienvermögen von zwei Millionen Euro wären demnach 50 000 Euro im Jahr fällig. Davon verspricht sich die Linke Mehreinnahmen von 80 Milliarden Euro. Weitere Erträge sollen höhere Erbschaftssteuern (sieben Milliarden) und Unternehmenssteuern (35 Milliarden) bringen.

Insgesamt errechnet die Linke Mehrerträge von 180 Milliarden Euro im Jahr, womit sie ihr Umverteilungsprogramm finanziert sieht. Denn die Ausgaben schlagen mit 160 Milliarden Euro zu Buche. Gemeint ist vor allem die Anhebung des Rentenniveaus um 10 Prozent, die Abschaffung der Rente mit 67 und eine „solidarische Mindestrente“ von 1050 Euro. Der Hartz-IV-Regelsatz soll auf 500 Euro angehoben werden. Zudem wird ein flächendeckender Mindestlohn von zunächst zehn Euro gefordert.

„Mit Biss“ wollen sie umverteilen und „mit Biss“ wieder nach oben. Beides dürfte schwierig werden. Riexinger wirbt für eine „neue Solidarität“. Dies sei kein fernes Projekt – der Politikwechsel sei sofort möglich, sagt er trotz der Distanzierung der SPD von rot-rot-grünen Planspielen. Wohl auch zu diesem Zweck wird der Begriff Sozialismus fast gänzlich ausgeblendet; die Pragmatiker gewinnen an Boden. Der Entwurf wird nun im Internet und auf fünf Regionalkonferenzen im März diskutiert. Dies soll bis 18. April in den Leitantrag für den Parteitag Mitte Juni münden. „Wir gehen mit viel Realismus in den Wahlkampf“, sagt Kipping. Man wolle „so nah wie möglich“ an die 11,9 Prozent von 2009 herankommen.