Nicht nur die aussichtsreichen Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP, AfD und Linke schicken Bewerber ins Rennen, auch die Kleinparteien von Piraten bis ÖDP tun dies. Wir geben einen Überblick über die Kandidaten im Wahlkreis Stuttgart I.
Stuttgart - In den vergangenen Tagen haben wir die Kandidaten der aussichtsreichen Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP, AfD und Linke vorgestellt, heute geben wir einen Überblick darüber, wer sonst antritt im Wahlkreis Stuttgart I. Das sind Kandidaten von Piraten, Tierschutzpartei, ÖDP, MLPD, Die Partei und Bürgerrechtsbewegung Solidarität. Aber es gibt auch eine Besonderheit: Mit Steffen Schuldis und Werner Ressdorf kandidieren zwei Einzelbewerber, die keine Partei im Rücken haben.
Jeder Wähler, mit dem er ein Bier trinken gehen würde, würde ihm im Anschluss seine Stimme geben. Davon ist Steffen Schuldis überzeugt. Nur: Den 30-Jährigen kennt kaum jemand. Und er kann bis zum 24. September auch nicht mit Tausenden Stuttgartern ein Bier trinken. Sein Gesicht ziert zudem keine Wahlplakate. Der Ingenieur aus dem Stuttgarter Süden wollte bewusst nicht für eine Partei kandidieren. „Ich möchte eine Alternative für Leute sein, die kein Vertrauen in die Politik mehr haben“, sagt er. Auf die Idee zu kandidieren kam Schuldis, weil er selbst nicht wusste, wen er wählen soll. Ein konkretes Programm hat der parteilose Kandidat nicht. Nur Ideen. So glaubt er, unsere Gesellschaft müsse sich dahin entwickeln, dass alle „mündige Bürger“ werden, die in der Lage sind, sich umfassend am politischen Diskurs zu beteiligen. Schuldis hat sich in den vergangenen Jahren vielfältig sozial und politisch engagiert. Er war Mitinitiator des Projekts Balkan Route. Zusätzlich hat er die Initiative „Unsere Zukunft“ gegründet, mit der er auf dem Marienplatz sogenannte „Speakers’ Corner“ zu verschiedenen Themen veranstaltet. „Diese Diskussionsrunden sind ein Ansatz von mir, wie wir mündige Bürger werden können“, sagt er.
Bisher kein Einzelbewerber im Bundestag
Dennoch sind seine Chancen gleich null: Seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 hat es noch kein parteiloser Kandidat in den Bundestag geschafft. Auch Werner Ressdorf kam 2013 auf ganze 76 von mehr als 152 000 Erststimmen im Wahlkreis Stuttgart I. Trotzdem tritt er erneut als parteiloser Kandidat an. Unter dem Motto „Volkstribun ins Parlament“ fordert er „Deutsche an 1. Stelle“ und bezeichnet sich als „volksnah, innovativ, progressiv“. Ressdorf gibt als Berufsbezeichnung Autor an. Schon 2012 trat er bei der OB-Wahl an – sein damaliger Stimmenanteil: 0,1 Prozent.
Da waren die Piraten erfolgreicher. Die Partei war 2013 mit mehr als zwei Prozent die Größte unter den Kleinen. Für sie tritt der 43-jährige Software-Ingenieur Michael Knödler an, stellvertretender Bezirksbeirat in Stuttgart-Süd und Mitglied im Kreis- und Landesvorstand seiner Partei. „Als Schachspieler denke ich voraus“, sagt er und hat als größtes Problem in Stuttgart die steigenden Mieten identifiziert. Die anderen Parteien hätten den Wohnungsmarkt fast komplett den Immobilieninvestoren überlassen, kritisiert er und fordert bezahlbaren Wohnraum. „Stuttgart leidet unter Stau und Luftverschmutzung“, sagt er. Deshalb setzten sich die Piraten für den Ausbau und günstigere Preise im ÖPNV ein.
Der eine ist gegen Stuttgart 21, der andere für das Projekt Stausee 21
Deutlich unter einem Prozent blieben 2013 die anderen Parteien. Kandidat der Tierschutzpartei ist deren Bundes- und Landesvorsitzender, der 32-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur Matthias Ebner. Er will „den Klimakiller Nummer eins, die ethisch nicht zu rechtfertigende Massentierhaltung, durch eine nachhaltige bio-vegane Landwirtschaft“ ersetzen. Für die ÖDP geht der 64-jährige Kreisvorsitzende Dieter Baur ins Rennen. Der Erste Polizeihauptkommissar im Ruhestand, der in Degerloch wohnt, will ein gesetzliches Spendenverbot von Firmen an Parteien und ist gegen Freihandelsabkommen. Der Kandidat der Internationalen Liste/MLPD, der Architekt Harald Andre, fordert einen massiven Ausbau und Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr. „Der kriminelle Abgasbetrug zeigt die Diktatur der Konzerne“, sagt er. Er fordert zudem einen Baustopp für S 21. Für die Bürgerrechtsbewegung Solidarität geht der 78-jährige Hubertus Mohs an den Start. Er will eine Politik der sozialen Marktwirtschaft und eine friedliche Zusammenarbeit mit anderen Ländern, speziell im Rahmen des Projekts der Neuen Seidenstraße.
Für „Die Partei“, die von Redakteuren der Satirezeitschrift Titanic gegründet wurde, tritt der 27-jährige Julian Heinkele an. Politisch setze sich der Student der Ernährungswissenschaften „besonders für das Projekt Stausee 21, die gezielte Flutung Stuttgarts sowie mehr Verkehr ein“. Nach der Wahl wolle er sich an den Diäten sattfressen, so Heinkele, wobei er „keine Tomaten, Fenchel oder Koriander mag“.