Auch weil der Vorsprung von Schwarz-Gelb hauchdünn ist, setzt die Bundeskanzlerin auf einen Konsenskandidaten.

Berlin - Dass Kanzlerin Angela Merkel sich mit der Opposition auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten verständigen will, dürfte auch an den Mehrheitsverhältnissen in der Bundesversammlung liegen. Im Vergleich zur letzten Wahl vor fast zwei Jahren zählt das schwarz-gelbe Lager inzwischen weniger Mitglieder. Der Grund dafür ist einfach: Union und FDP haben seither bei Landtagswahlen Stimmen eingebüßt, in Baden-Württemberg ist das Regierungslager ganz abgewählt worden. Nach dem Rücktritt von Christian Wulff gerät die nächste Präsidentenwahl für die Koalition damit zur Zitterpartie. Denn Union und FDP verfügen nur noch über eine hauchdünne Mehrheit in der Bundesversammlung. Dies macht es für Schwarz-Gelb extrem schwierig, einen eigenen Kandidaten durchzusetzen. Ganz ausgeschlossen ist es aber nicht.

 

In spätestens 30 Tagen muss die Bundesversammlung tagen

Nach Wulffs Rückzug vom Amt muss es nun schnell gehen: Bundestagspräsident Norbert Lammert beruft nach dem Gesetz innerhalb von 30 Tagen die Bundesversammlung ein. Der späteste Termin hierfür ist der 18. März. Ein Kuriosum am Rande ist, dass Wulff bei einem längeren Zuwarten die Chancen von Schwarz-Gelb bei der Wahl möglicherweise verschlechtert hätte. Die Ursache dafür liegt in der saarländischen Landtagswahl, die am 25. März stattfindet. Mit diesem Urnengang dürften sich die Machtverhältnisse im saarländischen Landtag verändern, was wiederum Einfluss auf die Präsidentenwahl hat. Denn die Bundesversammlung besteht aus den zurzeit 620 Bundestagsabgeordneten sowie 620 Mitgliedern, die von den Landesparlamenten ernannt werden. Damit wählen insgesamt 1240 Mitglieder das nächste Staatsoberhaupt.

Die Machtbasis der schwarz-gelben Koalition ist in der Bundesversammlung alles andere als komfortabel. Nach Auskunft von Wilko Zicht vom Internetportal Wahlrecht.de ist der Vorsprung denkbar knapp. Die genaue Zusammensetzung lässt sich zwar noch nicht ermitteln, da bei ähnlichen Machtverhältnissen in Land-tagen die Zuteilung der letzten Stimme auch per Los erfolgen kann. Am Gewicht der jeweiligen Blöcke dürfte sich aber nicht mehr viel ändern. Nach ersten Berechnungen verfügt Schwarz-Gelb über 622 bis 624 Stimmen – für die absolute Mehrheit sind 621 Stimmen notwendig. Das linke Lager von SPD, Grünen und Linkspartei bringt es auf 600 bis 602 Stimmen. Auf die übrigen Parteien wie beispielsweise die Freien Wähler entfallen 16 Voten. Falls es doch zu Kampfkandidaturen zwischen den großen Blöcken kommt, würde das Rennen spannend. Erreicht kein Kandidat im ersten und zweiten Wahlgang eine absolute Mehrheit, so ist derjenige gewählt, der im dritten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Schon bei der Wahl von Christian Wulff bedurfte es eines dritten Wahlgangs.

Bevölkerungszahl entscheidet über Zahl der Entsandten

Die genaue Zusammensetzung der Bundesversammlung muss zwar erst noch von der Bundesregierung festgelegt werden. Wie viele Wahlmänner und -frauen ein Landtag entsendet, hängt von der Bevölkerungszahl ab. Kleinere Verschiebungen sind möglich. Zuletzt verlor beispielsweise Sachsen Einwohner und Bayern verzeichnete ein Bevölkerungsplus. Dennoch handelt es sich hierbei eher um kleinere Änderungen. Maßgeblich ist die Bevölkerungszahl: Baden-Württemberg schickte vor fast zwei Jahren 79 Mitglieder nach Berlin.

Wahlgänge waren in der Vergangenheit auch deshalb nervenaufreibend, weil die entsandten Vertrauensleute oft einen eigenen Kopf an den Tag legten: Vereinzelt entschieden sie bei der geheimen Wahl anders, als sich dies die Parteien gewünscht hatten.