Verteidigungsminister Pistorius macht einen „Anwenderfehler“ eines Offiziers dafür verantwortlich, dass Russland ein sensibles Gespräch abhören könnte. Doch die Gefahr durch Spionage und Desinformation bleibe hoch.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Es war eine kurzfristige Einladung, die das Verteidigungsministerium am Dienstagmorgen verschickte – zu einer Pressekonferenz, die weniger als drei Stunden später stattfand. Minister Boris Pistorius (SPD) sprach über weitere Erkenntnisse im Abhörfall bei der Bundeswehr, der am Wochenende für Aufsehen sorgte. Russische Medien hatten Aufnahmen von einer Besprechung hochrangiger Offiziere veröffentlicht, in der es auch den möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern durch die Ukraine ging.

 

Mit den Details, die der Minister am Dienstag zu dem Vorfall vorstellte, versuchte er, die Lage zu beruhigen. „Kommunikationssysteme wurden nicht kompromittiert“, sagte Pistorius. Ein „individueller Anwenderfehler“ eines Teilnehmers der Telefonkonferenz sei schuld gewesen, dass das Gespräch abgehört werden konnte. Doch Pistorius machte auch klar: Die Bedrohung durch solche Spionageakte wird bleiben. Beim konkreten Abhörfall sei die Besprechungssoftware WebEx genutzt worden, sagte Pistorius. Allerdings nicht die öffentlich zugängliche Version, sondern eine für den Dienstgebrauch zertifizierte Variante. Diese sei erlaubt, solange die besprochenen Inhalte maximal als VS-NfD (Verschlusssachen – nur für den Dienstgebrauch) eingestuft sind. Es handelt sich dabei um die unterste der vier Geheimhaltungsstufen für Behörden. Derzeit werde geprüft, ob das genutzte Kommunikationsmittel den Gesprächsinhalten angemessen gewesen sei.

Aus Singapur zugeschaltet

Unsicher wurde die Software wohl, weil sich einer der Teilnehmer des Gesprächs über sein Mobiltelefon aus Singapur zugeschaltet habe, wie der Minister erklärte. Der betreffende Luftwaffen-Offizier hatte dort eine militärische Luftfahrtmesse besucht. Pistorius sagte, eine solche Veranstaltung sei ein „gefundenes Fressen“ für den russischen Geheimdienst. Die Mobilfunk-Verbindung des genutzten Handys oder das WLAN des Hotels sei ein mögliches Einfallstor für die Hacker gewesen, sagte Pistorius. Von der Geheimhaltung her sei aber „überschaubar“ gewesen, was in der Telefonkonferenz besprochen worden sei. Formell habe er disziplinarische Vorermittlungen gegen alle vier Teilnehmer der Schaltkonferenz genehmigt, sagte Pistorius. Dies müsse auch gemacht werden, um etwa entlastendes Material zu sammeln. Er betonte auch, dass personelle Konsequenzen „derzeit nicht auf der Agenda“ stünden. Wenn nicht noch etwas Schlimmeres herauskomme, „werde ich niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern“, sagte er.

Pistorius verriet auch, dass er sich mit Verbündeten in Verbindung gesetzt habe, um sie über den Vorfall zu informieren. „Ich habe keinerlei Anzeichen wahrgenommen, dass man uns in irgendeiner Weise misstraut.“ Der Minister ergänzte: „Das Vertrauen in uns als Nato-Partner ist nicht beschädigt.“ Im konkreten Fall gibt es offenbar das Bemühen, die Lage herunterzuspielen. Doch grundsätzlich macht man sich bei den Sicherheitsorganen keine Illusionen über das Vorgehen Russlands. In seinem Jahresbericht schreibt der Militärischen Abschirmdienstes (MAD) im Kapitel „Spionageabwehr“ darüber, welche Intentionen Moskau habe. Dort heißt es, Russland nutze „hybride Maßnahmen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung“.

Pistorius mahnt zur Wachsamkeit

Pistorius machte deutlich, dass es aus seiner Sicht auch in Deutschland Stimmen gebe, die zumindest die Narrative Moskaus unterstützen. Er sagte, Putin bestimme seit Monaten die Agenda, die die Diskussionen in Deutschland setze. „Es finden sich immer willfährige Büchsenspanner in der deutschen Politik, bei der AfD oder bei den Linken, die das gerne aufgreifen“, kritisierte er. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ordnete den Abhörfall als Teil der hybriden Kriegsführung der Ukraine ein. Am Rande ihrer Reise auf den Westbalkan warnte sie, es gehe Putin auch um eine „Destabilisierung der anderen europäischen Länder“.

Auch Pistorius mahnte weiter zur Wachsamkeit. Die Kommunikationssysteme der Bundeswehr müssten weiterhin laufend überprüft und verbessert werden. Kenntnis von einem weiteren Abhörfall habe er nicht. Und doch musste er einräumen: das schließe nicht aus, dass es trotzdem weitere geben könnte.