In der Sonderausstellung in der Erbstettener Zehntscheuer geht es darum, „wie man sich einst gesund erhielt“. Die historischen Medizin-Utensilien stammen fast alle direkt aus der Umgegend.

Burgstetten - So richtig vertrauenerweckend sieht er nicht aus, der alte zahnärztliche Behandlungsstuhl, der den Besucher bei der Sonderausstellung des Historischen Vereins direkt unten am Eingang der liebevoll hergerichteten alten Erbstettener Zehnt- und Pfarrscheuer empfängt. Angesichts der bedrohlichen Bohr- und Haltevorrichtungen beschleicht den geneigten Besucher durchaus eine Ahnung von den Gründen, die einst Generationen von Kindern allein beim Gedanken an den Zahnarzt in schiere Panik verfallen ließen. Der historische Behandlungsstuhl – er hat wie praktisch allles, was in den oberen Etagen gut anderthalb Jahrhunderte ärztlicher Praxis auf dem Lande dokumentiert, einem Burgstettener gehört. In dem Fall allerdings einem, der als Zahnarzt in Stuttgart praktiziert hatte, erläutert Jochen Elzmann bei der Führung durch die vielgestaltigen Zeugnisse aus der Geschichte des kommunalen Gesundheitswesens.

 

Der Inhalt einer Tragetasche mit etwa 50 ärztlichen Instrumenten aus der Nachkriegszeit ist im ersten Stock eine Station auf der Reise in die medizinische Ortsvergangenheit. Die Tasche hat die Tochter eines Frauenarztes angeschleppt, nachdem die Aktivisten des Historischen Vereins im Ortsblättle um entsprechende Utensilien gebeten haben. Ob Bibeln und Gesangsbücher („da kamen rund 500 bei uns an“) oder wie für das kommende Jahr geplant Dosen und Schilder zum Thema „Heilix Blechle“: „Wir bekommen immer genügend Sachen aus dem Ort zusammen“, sagt Elzman, der Schriftführer des Historischen Vereins.

Dinge etwa, wie die Teile aus der Praxis von Dr. Werner Schneider, der bis vor einem Jahr noch im Ort praktiziert hat und am Dreikönigstag gleich höchstpersönlich zur Stelle ist, um Inhaliergerät oder der Oszillograf aus den 1950ern, das damalige Diagnosegerät für Durchblutungsstörungen „in allen vier Extremitäten“ zu erläutern. Eine ganz skurrile Maschine hat ihm einst ein Patient geschenkt. „Nervosan“ heißt die aus den 1920ern stammende elektrische Heilstrahlapparatur, die laut Gebrauchsanweisung quasi gegen alles helfen sollte. „Ich hab das natürlich nie benutzt“, schmunzelt Schneider dazu.

Die ganz normalen Dinge aus der örtlichen Krankengeschichte sind natürlich auch vertreten. Hölzerne Rollstühle, Spritzen, Zangen aller Art, ein Klistier oder der mobile Zahnarztbohrer für den Hausbesuch auf dem Lande. Und beobachtet wird das Treiben in der Zehntscheuer von einer Schaufensterpuppe in originaler Krankenschwesternkluft. Auch deren Ausrüstung und Beispiele für die Dokumentation ihrer Krankenbesuche sind Teil der Ausstellung. Das Buch „Anatomie für Schwestern“ war da Hilfsmittel, so wie in den Familien jene um 1900in hohen Auflagen verfassten Gesundheitsbücher wie „Die Frau als Hausärztin“. Da sei die Rollenverteilung in Gesundheitsdingen ganz klar gewesen, sagt Elzmann:. „Da wurde immer nur die Frau angesprochen, nie der Mann“. Die auch seit fast 200 Jahren vor Ort vertretenen Homöopathie hat ihren Platz in der Ausstellung, ebenso wie eine Medikamentenrechnung von 1869, in der der Apotheker der Gemeindepflege für Zinktinktur und Senfmehl für den Notvorrat der Hebamme in Rechnung gestellt hat.