Der Schnee auf der Straße ist schon längst zu braunem, glitschigen Matsch geworden, als der Bus der Linie 663 am Weil der Städter Bahnhof eintrifft – mit fünf Minuten Verspätung. Einige wenige Passagiere schütteln sich die Schneeflocken von der Jacke, jemand grummelt leise über die längere Wartezeit. Dabei ist der Grund für die Verspätung eigentlich verständlich. „Wir sagen unseren Mitarbeitern bei solchem Wetter, fahrt langsam, fahrt auf Sicherheit“, erklärt Andreas Klingel. Er ist der Geschäftsführer des gleichnamigen Weiler Busunternehmens, das gemeinsam mit der Firma Eberhardt seit einigen Wochen die Notversorgung auf mehreren Linien zwischen Enzkreis und Leonberg übernimmt. Klingel selbst steuert an diesem Morgen einen Bus, ebenfalls mit Verspätung. „Schnee, Umleitungen, das volle Programm“, nennt er ganz offen als Gründe.
Gemeinsam mit seinem Kollege Wolfram Vögele, Betriebsleiter der Firma Eberhardt, und Bernd Kauffmann, Grünen-Kreisrat aus Heimsheim, hat sich Klingel jüngst mit zwei Müttern getroffen, die sich in den vergangenen Wochen in Sachen Busverkehr eingesetzt haben. Bereits vor der Insolvenz des Busunternehmens Seitter hatte es auf den Strecken in und um Leonberg, Rutesheim, Renningen und den Enzkreis-Kommunen massive Verspätungen und sogar Ausfälle gegeben, insbesondere der Schulverkehr war betroffen – und damit auch die Kinder von Wendy Züffle und Sandra Schönleber, die beide in Gebersheim wohnen. Zwar war auch die erste Zeit mit Klingel und Eberhardt holprig, sagen sie heute. Das Treffen der Frauen mit den Busunternehmen zeigt aber deutlich, dass sich in dieser Debatte inzwischen viel Verständnis breit gemacht hat.
Bustaktung ist zu Stoßzeiten nicht immer einzuhalten
Tatsächlich fällt von Seiten der Mütter sogar häufig die Frage: „Wie können wir Sie unterstützen?“ Unter welchen Spannungen der Busverkehr in der Region steht, berichten Andreas Klingel und Wolfram Vögele eindrücklich. Von komplizierten Ausschreibungen und Abrechnungen etwa, spontanen Krankheitsausfällen in den Reihen der Mitarbeitenden oder Baustellen, die erst kurzfristig oder sogar gar nicht kommuniziert werden. „Wir hatten schon den Extremfall, dass ein Fahrer von unterwegs aus angerufen und berichtet hat, dass die Straße gesperrt ist“, so Vögele. Hinzu komme, dass nicht jede Umleitung auch automatisch für einen Bus geeignet sei. „Es ist wichtig, dass die Straßen gemacht werden“, so Klingel. „Aber für uns ist das schwierig.“
Dass die Busse, insbesondere für die Schulkinder, oft zum Platzen gefüllt sind, ist allen Anwesenden durchaus bewusst. Oft entstehen dann Verzögerungen, weil die Busfahrer erst einmal alle Kinder zum Durchrücken bringen müssen. Trotzdem sei es nicht so leicht, in den Stoßzeiten einfach einen Bus mehr einzusetzen – denn kein Fahrer würde gerne zwei Stunden arbeiten und dann pausieren. „Diese Teilschichten sind nicht gerne gesehen“, sagt Vögele. In beiden Landkreisen gelten außerdem Taktfahrpläne, bei denen Busse zur immer gleichen Minutenanzahl kommen. „Das ist im Prinzip schon richtig“, so Vögele. „Aber im Stoßverkehr braucht man manchmal eben etwas länger, mittags dafür nicht.“
Der Busführerschein ist teuer
Das größte Problem jedoch, so nennt es auch Andreas Klingel, ist der Personalmangel. „Und der wird nur noch schlimmer werden“, kommentiert Kauffmann. Ein Hindernis ist dabei der Busführerschein, der in Deutschland wegen der inkludierten IHK-Prüfung für gewerbliche Busse bis zu 10 000 Euro kostet. Das Arbeitsamt übernimmt die Kosten für arbeitslose Menschen, bei einer Weiterbildung immerhin einen Teil. Den Führerschein anderen Interessenten zu finanzieren, sei „ein Risiko“, so Vögele. Denn nicht jeder ist zum Busfahren geeignet, mancher setze „den Schein in den Sand“. Früher, so erinnert sich Klingel, hätten viele im Wehrdienst einen Busführerschein gemacht. Heute ist das nicht mehr so. Und wo das Personal fehlt, sind kurzfristige Ausfälle schwerer zu kompensieren.
Auch deshalb sind in Busunternehmen zunehmend Fahrer aus dem Ausland tätig – denn selbst in Österreich sei der Führerschein sehr viel günstiger, so Klingel. Sein Kollege Vögele berichtet, dass er seit Jahren versuche, mehr Frauen für den Beruf zu gewinnen. „Wir sind so flexibel“, berichtet er. In seinem Unternehmen gebe es Verträge vom 520-Euro-Modell bis zur Vollzeitstelle, man könne nur an einzelnen Tagen fahren oder immer nur zu einer bestimmten Tageszeit.
Es ist oft auch an der Politik
Aktuell warten Klingel und Eberhardt auf das Ergebnis der Ausschreibung der alten Seitter-Strecken ab Januar. Besserung verspricht im Neujahr auch die Linie 652, die dann wieder bis nach Leonberg fahren soll. Geht es nach Wendy Züffle und Sandra Schönleber, bleibt es auch weiterhin bei den beiden Unternehmen, außerdem wünschen sich beide mehr Verständnis von Seiten der Elternschaft. „Wenn man mal zehn Minuten später losfährt, nicht gleich eine böse E-Mail schreiben“, sagt Schönleber. Was „da dahintersteckt“ beeindruckt beide. Zum gleichen Punkt kehren sie während des Gesprächs trotzdem immer wieder zurück: Manchmal ist es an der Politik des Landkreises oder sogar des Bundes, etwa bei der Linienführung oder einer Förderung der Busführerscheine.