Obertürkheims Bezirksbeiräte haben sich in der Frage Busverkehr zwischen Uhlbach und Rüdern zum Kompromiss durchgerungen: Auf einen Probebetrieb wird verzichtet, dafür wird ein Gesamtkonzept gefordert.
Stuttgart - Vielleicht hatte die bittere Kälte außerhalb des Obertürkheimer Rathauses am Mittwochabend ihren Anteil. Ruhig und sachlich debattierten die Bezirksbeiräte ein heißes Thema: die Fortführung der Interimsbuslinie 109 mit einem Probebetrieb. Aus Esslinger Not heraus geboren fahren seit April 2020 Busse des Städtischen Verkehrsbetriebs Esslingen (SVE) von Sulzgries und Rüdern über die Markungsgrenze nach Uhlbach und weiter zur S-Bahn-Station in Obertürkheim – auf einer Strecke, die für Autos verboten ist und nur vom illegalen Schleichverkehr genutzt wurde. Ein Poller sorgt dafür, dass letzterer seitdem unterbunden ist. Ein Antrag von SPD-, Grünen- und SÖS-Linke-Fraktionen im Obertürkheimer Bezirksbeirat, die Busverbindung nach Ablauf der Baustellenzeit im Juni regulär zu etablieren, hatte die Anwohner auf die Palme gebracht. Die Antragsteller verzichten nunmehr auf einen entsprechenden Probebetrieb. Aber sie konnten sich mit dem Wunsch durchsetzen, dass die Stadt Stuttgart eine markungsübergreifende Busverbindung zwischen Uhlbach und Rüdern untersuchen soll.
Kein Probebetrieb
Normalerweise verkehrt die Linie 109 aus dem Esslinger Norden hinunter zum Esslinger Bahnhof. Doch die Stadt musste die Geiselbachstraße – die einzige Hauptverkehrsader, die den Norden direkt mit der Innenstadt verbindet – wegen der Sanierung ihres Kanals komplett sperren. Damit waren und sind lange Umwege für die Bewohner der betroffenen Stadtteile verbunden. So hatte die Stadt zumindest für den öffentlichen Nahverkehr verzweifelt eine Ausweichroute zu einem S-Bahnhof gesucht. Und sie war der Nachbarstadt Stuttgart dankbar für ihre Bereitschaft, die Busse von Rüdern über die Tiroler Straße in Uhlbach zum Obertürkheimer Bahnhof fahren zu lassen– interimsweise. 15 Monate, bis die Arbeiten in der Geiselbachstraße beendet sind, so lautete das Versprechen an die Bewohner in der Tiroler Straße, deren Häuser teilweise direkt an der Grenze zu der schmalen Straße stehen.
Im Juni soll die Geiselbachstraße wieder frei für den Verkehr gegeben werden. Umso entrüsteter waren etliche Anwohner, als SPD, Grüne und SÖS-Linke Ende 2020 im Obertürkheimer Bezirksbeirat vorschlugen, den Interimsbetrieb auszuweiten und nach Ende der Bauarbeiten einen Probebetrieb für eine reguläre Etablierung der Linienführung des 109ers aus Esslingen einzurichten. Er sollte ausloten, ob es einen Bedarf für eine Busverbindung von Uhlbach in Richtung Rüdern gibt.
Die Gegner dieser Buslinie fühlten sich getäuscht. Sie gingen auf die Barrikaden und starteten im Januar eine Bürgerbefragung. „Insgesamt wurden 445 Rückmeldungen mit Adressen und Unterschriften bei uns abgegeben. Aufgrund der hohen Anzahl der Rückläufe ist ein breiter Querschnitt der Bürgerschaft angesprochen worden“, sagt die Initiativensprecherin Regine Bubeck. Von den 445 Rückmeldungen haben 90,5 Prozent gegen die Fortführung des Busbetriebs nach Bauende gestimmt haben. Nur 9,5 Prozent wollten den Erhalt der Buslinie. Die erhitzte Stimmung bewegte die Bezirksbeiräte nun, die Wogen zu glätten und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Deswegen änderten die SPD-, Grünen- und SÖS-Linke-Fraktionen ihren Antrag ab– auch nach Rücksprache mit den Freien Wählern. Vom geplanten Probebetrieb wird abgesehen. „Mit Beendigung der Kanalbaumaßnahmen in der Geißelbachstraße endet vereinbarungsgemäß die Linienverbindung durch die Linie 109,“ heißt es im Antrag. Wenn das im Sommer der Fall ist, sollen auch die Parkplätze, die wegen der Busverbindung gestrichen worden waren, wieder zur Verfügung stehen. Erhalten bleiben – auch dies war ein Versprechen der Stadt Esslingen – die Poller am Ende der Tiroler Straße, die den Schleichwegverkehr eindämmen. Ein bleibender Nutzen, den das Entgegenkommen der Stadt Stuttgart den Uhlbachern gebracht hat.
Gemeinderat Stuttgart ist am Zug
Aber SPD und SÖS-Linke wünschen sich eine Konzeption für eine Buslinie 109a in geänderter Betriebsweise unabhängig vom Ende des Interimsbetriebs. Auch die Grünen hätten gerne ein über die Stadtbezirksgrenzen hinausgehendes Gesamtkonzept für den Busverkehr. Als Möglichkeit diskutiert wurde, Elektro-Kleinbusse von der „Glocke“ in Rüdern nur bis zum Uhlbacher Platz fahren zu lassen und dort den Umstieg in die Buslinie 62 zu ermöglichen. Auch ein SSB-Flex-Busangebot konnte man sich im Gremium vorstellen.
Angesichts der Bürgerbefragung und „weil der Bus durch ein Landschaftsschutzgebiet fährt“ sah die CDU hingegen keine Notwendigkeit für einen weiteren Prüfantrag an die Stuttgarter Stadtverwaltung. Ebenso die FDP. Mit den fünf Stimmen der SPD, der Grünen, der SÖS-Linke und einer Stimme aus den Reihen der Freien Wähler wurde der Prüfantrag bei einer Enthaltung mit hauchdünner Mehrheit angenommen. Ein Kompromiss, mit dem sich auch manche Mitglieder der Bürgerinitiative anfreundeten. Jetzt ist der Stuttgarter Gemeinderat am Zug. Er entscheidet, ob der Prüfantrag bewilligt wird.