In der Calwer Passage eröffnen nun schrittweise Lokale und Läden. Aus der Passage, deren Durchbruch zur Langen Straße, dem begrünten Bürogebäude entlang der Theo und der Calwer Straße entsteht ein neues Quartier.
Das Fluxus ist tot. Es lebe das Fluxus. Schön wär’s. Die romantische Vorstellung von buntem, kleinem, unverwechselbarem Einzelhandel in der Calwer Passage lässt sich nicht revitalisieren. Aber wenn es nach Frank Beling vom Bauherrn Ferdinand Piëch Holding GmbH geht, dann wird in der nun Stück für Stück wiedereröffneten Passage zumindest „der Geist des Fluxus leben“: „Das Fluxus mit seinen Pop-up-Stores war etwas Experimentelles, die Mieten spielten keine Hauptrolle, das ist nun doch etwas anders. Wir können es nicht mehr subventionieren.“ Daher will er bei der neuen Calwer-Passage, die dank des Denkmalschutzes in ihrer Architektur vollkommen erhalten wurde, auch nicht von „Fluxus 2.0“ reden. „Allerdings glaube ich, dass uns etwas gelungen ist, das an den Geist des Fluxus anknüpft.“
In den 1970er eröffnet
Zum Hintergrund: Als die eigentliche Calwer Passage Ende der 1970er Jahre eröffnet wurde, galt sie durch ihre Anlehnung an die berühmte Viktor-Emanuel-Passage in der City von Mailand als Attraktion. Eine kleine Renaissance erlebte die Calwer Passage in ihren letzten Jahren vor der Schließung Ende 2018 mit dem Projekt Fluxus als Temporary Concept Mall. Im Bewusstsein vieler Stuttgarter gilt dieses Fluxus wie etwa auch das Café Scholz auf dem Marktplatz als Inbegriff von Urbanität. Diese Gedanken und Gefühle hat der Bauherr nun aufgegriffen.
Moderate Mietpreise
Der Besatz der alten-neuen Passage ist in der Tat nicht mit den bekannten Marken der 1-a-Lagen dieser Welt zu vergleichen. Filialisten sucht der Besucher unter der vertrauten Glaskuppel vergeblich. Auch der Mietpreis (50 bis 100 Euro/m²) erreicht keine astronomischen Höhen. Das liegt auch daran, dass Besitzer Piëch, ein Sohn des 2019 verstorbenen gleichnamigen VW-Managers, bei den Mietpreisen eine Art Mischkalkulation macht. Der Hauptmieter, die CMS in dem begrünten Bürogebäude, erlaubt die moderate Preisgestaltung für die bisher 22 Passagen-Mieter aus Gastronomie und Handel. „Bei den Vertragsverhandlungen war Piëch immer dabei“, sagt Beling, „ihm war bei der Auswahl lokales Kolorit wichtig.“
Theo wird zur Gastromeile
Wie überall in der City gilt auch in der Passage das Zauberwort Aufenthaltsqualität. Daher haben die zur Theo hingewandten Flächen eine Öffnung zur Straße. Dort ist nun eine Fahrspur für die Außengastronomie reserviert. „Hier soll eine Boulevardatmosphäre entstehen“, sagt Beling. Zu dieser Qualität gehört auch das Gesamtkonzept für die Passage, den oberen Teil der Calwer Straße und der angrenzenden Theodor-Heuss-Straße. „Wir haben hier den Quartiersgedanken umgesetzt“, sagt Beling, „eine siebenjährige Arbeit trägt nun Früchte.“
Gemeint ist ein Viertel im Viertel, das an der geografischen Mitte der Stadt liegt. Dies hat Piëch von langer Hand geplant. Stück für Stück hat er Häuser an der Calwer Straße (36, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 56, 58, 62, 64) erworben, um auf den Mieterbesatz Einfluss zu nehmen. Auch hier sind keine Ketten zu finden. Das wohl prominenteste Beispiel ist das Haus mit der Nummer 58. Es wurde nicht nur aufwendig renoviert, es beherbergt auch die Traditionsmarke Kessler Sekt. „Zusammen mit den umliegenden Geschäften und Lokalen in der Calwer Straße bildet die neue Passage wieder ein ganz besonderes Quartier zum Bummeln und Einkaufen in der Stuttgarter Innenstadt. Dafür haben sich alle Anstrengungen gelohnt“, sagt Piëch.
Keine Luxusmeile
Um aus dem Straßenzug und der Passage ein Quartier zu machen, fehlte bisher jedoch die Anbindung zur Langen Straße. Auch hier hat Piëch nachgeholfen und der Evangelischen Gesellschaft ein Gebäude abgekauft. Somit war die Verlängerung der Passage und der Durchbruch zur Langen Straße möglich.
Beling nennt es ein „neues Stück Stuttgart“ im Herzen der Stadt. Alle Baumaßnahmen standen dabei unter einer Prämisse: „Wir wollten in alle Richtungen eine Durchlässigkeit schaffen und so die Stadt erweitern“, sagt Beling, „wir wollten hier keine Luxusmeile. Der Ansatz lautete, das neue Quartier soll klassenlos, jung und für alle sein.“