Wie unterschiedlich die Beiträge beim Trickfilm-Festival sind, zeigen die Filme der jungen Stuttgarter Carmen Büchner und Moritz Schneider, die für einen Nachwuch-Preis nominiert sind. Wir haben mit den beiden über ihre Arbeiten gesprochen.

Stuttgart - Wenn Carmen Büchner über ihre Arbeit spricht, dann leuchten ihre Augen. "Ach ich liebe eigentlich alles, was ich tue", sagt sie dann lachend. So ist das also, wenn man sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Wobei: "Das kann auch ganz schön zerfleischend sein." Feierabend gibt es nicht, gegrübelt wird ständig und das Atelier befindet sich in der Wohnung. Arbeit und Privatleben vermischen sich.

 

Carmen Büchner ist Künstlerin. Im vergangenen Jahr hat sie ihr Studium an der Filmakademie in Ludwigsburg abgeschlossen, gestern ist einer ihrer Filme zum ersten Mal im Internationalen Wettbewerb des Trickfilmfestivals gelaufen. "Das ist total aufregend", sagt sie. "Contrast" heißt ihr 3:55-minütiger Film. Er zeigt einen Blick in eine Blumenwiese und dort den Kampf zweier Käfer ums Überleben. Der Stärkere gewinnt, könnte das Motto des Films sein, mit dem sie ihr Studium abgeschlossen hat. Zwei Käfer treffen aufeinander, es gibt einen Kampf, der Stärkere gewinnt - und die Kamera fährt wieder hinaus aus dem Schauplatz und kehrt ins große Ganze zurück. Der Ursprung war ein 1,50 auf einen Meter großes Gemälde, das Carmen Büchner gemalt, in ihre Wohnung gehängt und "Wiesenrausch" genannt hat.

Die Natur spielt in den Arbeiten von Carmen Büchner immer eine große Rolle. "Alles basiert auf der Natur und ihren Gesetzen", sagt sie. Alles, könne man durch die Natur erklärbar machen. "Heute ist alles furchtbar kompliziert, heruntergebrochen auf die Natur allerdings, merkt man, dass wir doch alle sehr einfach gestrickt sind."

Doch es ist viel weniger die Geschichte als die Machart, die wohl dazu beigetragen hat, dass der Film der jungen Animatorin für den Wettbewerb (und für viele andere internationale Festivals) ausgewählt worden ist. Der Film ist wie ein abstraktes, experimentelles Gemälde als Bewegtbild. Carmen Büchners Anspruch war es, jedes Bild des Films so zu gestalten, "dass man es sich ausdrucken und an die Wand hängen möchte." Ihr Fokus habe bei der Produktion ganz klar auf der visuellen Ebene gelegen. Dazu hat sie viel experimentiert, mit Leuchtplatten, Holzplatten, Acrylfarben und verschiedenen Materialien. Mindestens genauso experimentell ist die Musik dazu von Denise Segschneider (heute Barth). Das Knacken kommt von zerbrechenden Gurken und Karotten oder von Spachteln auf leeren Leinwänden. Je genauer das Bild wird desto experimenteller wird die Musik und umgekehrt. "Wir haben sehr viel rumprobiert", sagt Carmen Büchner. Auch den Film bezeichnet sie als Kunstprojekt - es gab weder Storyboard noch Recherche. Der Film hat sich von Tag zu Tag zusammengesetzt. "Das war auch riskant, ich musste jeden Tag kreativ sein", sagt sie. Da war die Angst groß, eines Morgens aufzuwachen und keine Idee zu haben.

Die Herangehensweise, die Carmen Büchner hat, auch bei ihren Auftragsarbeiten, die sie nun als Freelancer für Studios und Agenturen macht, ist immer eine künstlerische. Immer experimentiert sie mit verschiedenen Materialien und Kunstformen. "Als Trickfilmer hat man unendliche Möglichkeiten der Gestaltung. Ich kann alles in der Welt für meine Produktionen benutzen", sagt sie begeistert.

Carmen Büchner gibt nur den roten Faden vor

Am Ende soll in ihrem Film jeder sehen, was er möchte: "Manche sehen in meinem Film nur abstrakte Formen, andere zwei Käfer, die gegeneinander kämpfen. Ich gebe nur den roten Faden vor"

Carmen Büchners Film läuft heute Mittag, 14 Uhr,  in der Vorstellung "BW-Rolle: Die besten Animationsfilme aus Baden-Württemberg und der Region Stuttgart"

Mehr Infos zu ihrer Arbeit gibt es hier.

Seite 2: "Harald" von Moritz Schneider

Wie unterschiedlich die Beiträge beim Trickfilm-Festival sind, zeigt ein anderer Beitrag, der heute Mittag in der gleichen Vorstellung läuft. "Harald" von Moritz Schneider, der zusammen mit Carmen Büchner studiert hat und dessen Film so überhaupt gar nichts mit ihrem gemein hat. 

Harald ist ein Wrestling-Star. Er ist groß, dick und grobschlächtig, seine Gegener haut er allesamt aus dem Ring. Doch Harald tut das alles nicht für sich, sondern für seine Mutter, die seine Pokale abstaubt und dieselben lieber zu haben scheint als ihren Sohn. Doch dieser hat ein ganz anderes Faible: Blumen. Harald ist ein großer, grobschlächtiger Blumenfreund.

"Harald" ist ebenfalls Moritz Schneiders Diplomfilm, mit dem er sein Studium an der Filmakademie in Ludwigsburg abgeschlossen hat. Die Idee zur Geschichte sei ihm in der Bahn gekommen, erzählt er, wo er immer sein Skizzenbuch mit sich führt. "Schon zwei bis drei Jahre bevor es los ging." Was ihn am Stoff gereizt habe, sei die Innen- und Außenebene, die er durch den Charakter zeigen könne, ein nach außen starker Wrestler, in dessen Inneren es ganz anders aussieht. Das Plakative der Wrestling-Show zu zeigen, und gleichzeitig die Feinsinnigkeit beim Blumen züchten. Der Film balanciert stets zwischen lauten und stillen Tönen. "Ich fand es auch interessant etwas zum Männerbild zu machen, ohne mit dem Holzhammer ran zu gehen", sagt er. 

Der Schwerpunkt seiner Arbeiten liege immer auf dem Narrativen. "Geschichten zu erzählen - dafür brenne ich", sagt er. Bisher habe er meist Autorenfilme gedreht, mit Legetechnik oder Puppentrickfilme. Die Technik für "Harald" habe er sich während des Produzierens autodidaktisch angeeignet. "Ich glaube danach wird an der Filmakademie gesucht, man muss einen Grundantrieb haben", sagt er.

Moritz Schneider hat lange an seinem Film gearbeitet, bis alle Charaktere bis ins Detail ausgefeilt waren. Am Ende hatte er rund zwanzig Helfer im Rücken, unter anderem die studentische Produzentin Alexandra Stautmeister. Es braucht viel Zeit eine solche Geschichte zu erzählen, die am Ende nur gut fünf Minuten lang ist. "Trotzdem muss der Protagonist zum Schluss eine Entwicklung durchgemacht haben", sagt der 31-Jährige. 

Der Film soll in Serie gehen

Zum Trickfilm gekommen ist Moritz Schneider durch Comics, zum krestiven Beruf durch seine Eltern, die beide Künstler sind. Nach dem Abitur hat er erst einmal eine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht, doch dann hatte er das immer stärkere Bedürfnis, die Bilder selbst zu schneiden und eigene Geschichten zu erzählen. Seit dem Abschluss seines Studiums arbeitet er als Freelancer für verschiedene Studios in verschiedenen Funktionen.

Auch mit "Harald" soll es weitergehen. Der Film läuft auf vielen Festivals und ist für den Lotte-Reininger-Förderpreis nominiert, genauso wie Carmen Büchners "Contrast".  Die Geschichte um Harald soll sogar noch asugebaut werden. "Wir überlegen daraus eine Serie zu machen", sagt er. Das Thema Wrestling finde in Trickfilmen kaum statt, "dabei geben die Figuren so eine gute Basis vor, auf der man aufbauen kann", sagt er. Jeder der Helden, die man aus den USA kenne, repräsentiere etwas. "Und man schwankt immer dazwischen, Wrestling total genial oder total dumm zu finden", sagt er lachend.

Mehr Infos zu Moritz Arbeit gibt es hier.

BW-Rolle: Samstag, 26. April, 14 Uhr, Gloria 2.