Cassandra Lammie macht ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Behinderten­-einrichtung. In dem Sozialdorf Manas in Kirgisistan wird die Neuwirtshäuserin Erwachsene betreuen.

Stuttgart-Zuffenhausen - Wo genau Kirgisistan liegt, wusste Cassandra Lammie bis vor kurzem nicht. Mittlerweile weiß sie es ganz genau: in Mittelasien, umgeben von China, Kasachstan, Tadschikistan und Usbekistan, rund 6000 Kilometer entfernt von Stuttgart. Von September an wird die 19-Jährige ein Jahr lang dort leben und in dem Sozialdorf Manas Menschen mit Behinderung betreuen. Nach der Fachhochschulreife an einer Waldorfschule möchte die Neuwirtshäuserin nun testen, ob ein heilpädagogischer Beruf zu ihr passen könnte. „Ich möchte Erfahrungen sammeln und sicher gehen, dass es die richtige berufliche Wahl ist“, sagt Cassandra Lammie. Dass das Ziel ihres Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) Kirgisistan wurde, war eher Zufall. Die 19-Jährige freut sich darauf, ihre Russischkenntnisse aus der Schule zu verbessern und lernt schon fleißig Vokabeln.

 

Ganz neu ist das Arbeiten mit behinderten Menschen für Cassandra Lammie nicht. Vor zwei Jahren hat sie ein dreiwöchiges Sozialpraktikum an der Nikolauspflege absolviert und dort seh- und mehrfachbehinderte Kinder betreut. „Das waren ganz faszinierende Persönlichkeiten. Es war schön, ihre Fortschritte zu sehen“, sagt sie. In dem Sozialdorf Manas in Kirgisistan wird die Neuwirtshäuserin hingegen Erwachsene betreuen. In der sozialen Einrichtung leben zurzeit etwa zehn Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen. Sie erlernen handwerkliche Arbeiten in einer hauseigenen Holz- und Filzwerkstatt. „Einige kehren nach einer Zeit wieder zu ihren Familien zurück, wenn sie gelernt haben, wie sie filzen und die Dinge dann auf dem Markt verkaufen können“, sagt Lammie.

„Behinderte Menschen gelten als wertlos“

Hervorgegangen ist die Einrichtung aus dem Kinderzentrum Nadjeshda, das eine Deutsche zusammen mit ihrem kirgisischen Mann 1989 gründete. „Irgendwann haben sie gemerkt, dass die Kinder erwachsen werden und irgendwo hin müssen.“ Eltern, deren Kinder in Nadjeshda untergebracht waren, gründeten daher 2004 den Verein Sozialdorf Manas. „Die Verhältnisse in staatlichen Behinderteneinrichtungen sind in Kirgisistan ganz furchtbar“, berichtet Lammie. „Behinderte Menschen gelten als wertlos, sie werden nicht beachtet und sterben oft früh.“ Private Initiativen wie das Sozialdorf seien leider eine Seltenheit. „Ich freue mich darauf, mich für so eine sinnvolle Sache einzusetzen“, beschreibt Cassandra Lammie ihre Motivation. Sorge bereitet ihr, dass es im Sozialdorf kein fließendes Wasser geben wird. „Ich frage mich, wie das funktioniert.“

Vermittelt wurde ihr der Freiwilligendienst über den Verein „Freunde der Erziehungskunst“, der junge Leute bei sozialer Arbeit im In- und Ausland einsetzt. Für das Sozialdorf Manas haben die Mitarbeiter nun zum ersten Mal Bewerber ausgesucht. Außer Cassandra Lammie wird noch eine weitere junge Deutschen vor Ort sein. Zusammen werden sie sich ein Zimmer teilen und „hoffentlich ein bisschen rumreisen“, sagt die Neuwirtshäuserin. Allerdings kann der Verein den Aufenthalt nicht komplett finanzieren. Cassandra Lammie ist daher auf der Suche nach Sponsoren, die ihren Aufenthalt mit einer kleinen Finanzspritze unterstützen. Wenn 1800 Euro zusammenkommen, kann der 19-Jährigen davon der Flug, Kost, Logis und ein kleines Taschengeld bezahlt werden. „Ich werde den Sponsoren auf einem Blog von meinen Erlebnissen berichten“, verspricht Lammie.