Die Kritik der CSU am EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei stört selbst den Merkel-Kritiker Clemens Binninger aus Baden-Württemberg. Die Sorge der Bayern, wegen möglicher Visaerleichterungen würden Kurden nach Deutschland drängen, hält er für übertrieben.

Berlin. - Die EU hat sich mit der Türkei auf einen Flüchtlingspakt geeinigt. Der CSU passt auch dieses Abkommen nicht. Der CDU-Politiker Clemens Binninger zählt zwar zu den Merkel-Kritikern. Aber von den ständigen Querschüssen aus München hält er nichts.
Herr Binninger, die CSU kritisiert die EU- Türkei- Flüchtlingsvereinbarung scharf. Sie lehnt Visafreiheit ab, weil Kurden nach Deutschland drängen könnten. Besteht die Gefahr, dass der Konflikt importiert wird?
Ich teile die Skepsis der CSU-Kollegen nicht. Natürlich müssen wir sehr genau prüfen, in welchem Umfang Reiseerleichterungen gewährt und ob sie missbraucht werden. Aber man kann nicht pauschal sagen, dass Visaerleichterungen wegen der türkisch-kurdischen Spannungen zu einem Problem in Deutschland führen werden. Die Kurden werden außerdem ihre Fluchtbereitschaft bei einer Zuspitzung der Lage sicher nicht von Visavoraussetzungen abhängig machen.
Welche Bedingungen muss die Türkei erfüllen, um Visaerleichterungen zu erlangen?
Das ist alles andere als ein Selbstläufer, denn die Türkei muss insgesamt 72 Voraussetzungen erfüllen und zwar wirklich erfüllen, denn einen politischen Rabatt für die Türkei darf es nicht geben. Voraussetzung ist vor allem eine effektive Sicherung der türkisch-griechischen Grenze. Das Schlepper- und Schleuserwesen muss beendet werden. Und die Türkei muss Flüchtlinge, die auf den griechischen Inseln aufgegriffen werden und keine Fluchtgründe haben, zurücknehmen. Dafür soll es ja auch einen Ausgleich geben, indem die EU der Türkei syrische Flüchtlinge abnimmt.
Ist die Vereinbarung ein Erfolg?
Sie ist sicher ein wichtiger Schritt, der aber nicht der einzige sein darf. Am Ende kann nur ein Zusammenspiel nationaler und europäischer Maßnahmen erfolgversprechend sein, denn sonst wird der Flüchtlingsstrom nur verlagert und es entstehen neue Ausweichrouten. Der Beschluss sendet aber die wichtige Botschaft aus, dass es sich für die Flüchtlinge nicht mehr lohnt, kriminelle Schlepper zu bezahlen. Denn ein Hauptgrund dafür, sich auf den Weg zu machen, war im Spätsommer doch für viele Menschen die nicht unberechtigte Hoffnung, dass man nur irgendwie europäisches Festland erreichen muss, um wenige Tage später in Deutschland zu sein.