Offenbar ohne das Plazet der Absender hat die Staatskanzlei Fanbriefe an Stefan Mappus herausgegeben. Die CDU will den Datenschutzverstoß nun im Landtag aufarbeiten – was nicht alle Betroffenen begeistert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Seinen Brief an Stefan Mappus würde Rainer Dulger am liebsten der Vergessenheit anheim geben. Vier Jahre ist es her, dass sich der heutige Arbeitgeberpräsident an den damaligen Ministerpräsidenten wandte. Nur eine Woche nach dem „schwarzen Donnerstag“ im Schlossgarten ermutigte er ihn, weiterhin für Stuttgart 21 zu kämpfen. „Mit großer Anteilnahme“ verfolge er die Kampagnen der Medien gegen Mappus. Dieser verdiene „größte Anerkennung“ und möge „so vorbildlich und standhaft bleiben“.

 

Als die StZ unlängst über das Schreiben vom Herbst 2010 berichtete, wollte sich Dulger nicht dazu äußern. Es könne nur rechtswidrig publik geworden sein, zürnte er intern. Doch rechtliche Schritte gegen das Staatsministerium, das den Brief nebst anderen auf einen Antrag nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) offen gelegt hatte, ergriff der Heidelberger Unternehmer nicht. Seine Devise war offenbar, jedwedes Aufsehen zu vermeiden. Je schneller niemand mehr von der Korrespondenz mit Mappus redete, umso besser. Nun wird das Kalkül des als CDU-nah geltenden Arbeitgeberpräsidenten just von der Landtags-CDU durchkreuzt. Der Obmann der Fraktion im zweiten Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz, Reinhard Löffler, teilt Dulgers rechtliche Zweifel. Also erkundete er per Anfrage (Titel: „Der gläserne Mensch – Umgang des Staatsministeriums mit Privatkorrespondenz des Herrn R.D.“) die Auskunftspraxis der Regierung nach dem UIG. Die Bürger müssten schließlich auf die „Vertraulichkeit ihrer Korrespondenz mit Behörden“ vertrauen dürfen.

Korrespondenz ohne Plazet herausgegeben

Die Antwort von Staatssekretär Klaus Peter Murawski (Grüne) fiel ziemlich knapp aus. Jawohl, man habe zwei Bürgern Zugang zu Umweltinformationen im Zusammenhang mit den Baumfällungen im Schlossgarten gewährt; unter den weit auszulegenden Begriff falle auch das Schreiben Dulgers. Ob dieser vor der Weitergabe angehört worden sei, wie es das Gesetz verlange? „In den Akten des Staatsministeriums findet sich hierzu kein Hinweis“, antwortete Murawski lapidar. Dass es notwendig gewesen wäre, bestritt er nicht. Die Staatskanzlei gebe damit zu, folgerte Löffler, dass „in rechtswidriger Weise personenbezogene Daten . . . an Dritte weitergegeben wurden.“ Dabei sei die informationelle Selbstbestimmung doch wichtiger denn je.

Wenig Erfahrung mit Akteneinsicht

Einmal auf der Fährte, fasst der CDU-Obmann nun auch in einem zweiten Fall nach. Per weiterer Anfrage („Der gläserne Mensch, Teil 2“) will er wissen, ob bei einem ebenfalls herausgegebenem Brief eines Anwalts die Betroffenen zuvor gehört worden seien. Zwei Wochen nach dem „schwarzen Donnerstag“ hatte der Advokat an Mappus geschrieben, er „ziehe den Hut vor Ihrer couragierten Haltung“ und hoffe sehr, dass er sich „vom Getöse der Straße nicht beirren lassen“ werde. Im Briefkopf stand auch der Name seiner Ehefrau, einer Richterin am Amtsgericht Stuttgart, die durch harte Urteile gegen S-21-Gegner aufgefallen war. Sie will von dem Schreiben zwar nichts gewusst haben. Trotzdem entzog ihr das Gericht wegen möglicher Befangenheit die Verfahren mit Bezug zu dem Bahnprojekt. Eine missliebige Richterin, argwöhnte Löffler, habe durch die Herausgabe der Korrespondenz gezielt ins Abseits gestellt werden sollen.

Auch der Anwalt und seine Frau waren zuvor offenbar nicht gefragt worden, ließen die Sache aber – wie Dulger – auf sich beruhen. Über die CDU-Anfrage wurde letzterer inzwischen informiert, soll darüber aber nicht gerade begeistert sein. Mit Kalkül oder gar Tücke dürfte das Versäumnis der Staatskanzlei indes wenig zu tun zu haben, eher mit Überforderung. Anders als die beiden Antragsteller kannte man sich in der Regierungszentrale kaum aus mit dem Umweltinformationsrecht. Zudem waren Tausende von Aktenseiten daraufhin durchzusehen, ob schutzbedürftige Interessen berührt seien. Mit der aufwändigen Bearbeitung der UIG-Anfrage wurde just jener Referatsleiter beauftragt, der die Akten zum „schwarzen Donnerstag“ am besten kannte: Michael P., der Regierungsbeauftragte im ersten U-Ausschuss. Er ist jener Leitende Ministerialrat, der damals eine „widerspruchsfreie Aufarbeitung“ der Unterlagen versprach und sich heute, inzwischen in ein anderes Ressort versetzt, vehement gegen den Einblick in seine eigenen Mails wehrt. Ausgerechnet der von Grün-Rot als besonders Mappus-treu angesehene Beamte wird nun indirekt von einem CDU-Abgeordneten ins Visier genommen – das hätte er sich wohl auch nie träumen lassen.

Beamter galt als besonders Mappus-treu