Der Stuttgarter Pharmagroßhändler Celesio hat zuletzt kaum Positives zu vermelden gehabt. Vorstandschef Markus Pinger will das ändern.

Stuttgart -
Ein drastischer Gewinneinbruch im vergangenen Jahr, Abschreibungen auf Tochterfirmen und ein millionenschweres Sparprogramm: Celesio hat zuletzt wenig positive Nachrichten geliefert. Im Interview erläutert Vorstandschef Markus Pinger, warum er den Pharmahändler trotz aller Widrigkeiten auf dem richtigen Weg sieht.

 

Herr Pinger, Sie arbeiten noch kein dreiviertel Jahr in der Celesio-Zentrale in Stuttgart-Bad Cannstatt. Wie gefällt Ihnen die Vorstellung, vielleicht bald wieder umziehen zu müssen – möglicherweise nach Düsseldorf oder Berlin?
Ich bin mit meiner Frau vor Kurzem nach Stuttgart gezogen. Wir fühlen uns hier wohl. Aber Sie spielen wahrscheinlich auf unsere Suche nach einem neuen Standort für unsere Hauptverwaltung an. Fakt ist: Celesio ist seit vielen Jahren in Stuttgart ansässig – und wir wollen auch hier bleiben. Richtig ist aber auch, dass wir mit unserer derzeitigen Gebäudesituation nicht zufrieden sind.

Warum?
Unsere Aktivitäten sind über sieben Gebäude in Stuttgart verteilt. Das ist für die Zusammenarbeit alles andere als förderlich. Deshalb würden wir unsere Hauptverwaltung gerne in einem Gebäude bündeln. Das ist übrigens schon seit Jahren ein Thema, also deutlich vor meiner Zeit. Hinzu kommt, dass der Mietvertrag für das Verwaltungsgebäude unserer Pharmahandelstochter Gehe 2014 ausläuft, so dass wir dafür auf jeden Fall einen Ersatz brauchen. Die bisherige Suche war ergebnislos. Wir setzen sie fort und überlegen, im nächsten Schritt auch die Stadt Stuttgart um Hilfe zu bitten.

Mit der aktuellen Geschäftsentwicklung dürfte Ihr Hauptaktionär, der Mischkonzern Haniel, nicht zufrieden sein. „Celesio verhagelt Haniel die Bilanz“ lautete kürzlich eine Schlagzeile. Wann liefert Celesio wieder positivere Nachrichten?
Wir sind doch schon dabei. Nehmen Sie die positiven vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal oder unsere weitere Expansion in Brasilien mit den Zukäufen der beiden Handelsunternehmen Oncoprod und Panpharma. Das alles zeigt, dass unsere Maßnahmen greifen und dass wir unsere neue Strategie umsetzen. Aber es ist natürlich richtig, dass Celesio im vorigen Jahr wenig Anlass zur Freude gegeben hat. Wir mussten dreimal die Ertragsprognose anpassen und hohe Abschreibungen vornehmen. In den vergangenen vier Jahren hat sich das Ergebnis mehr als halbiert. Diese Entwicklung hat dann ja auch zu den Veränderungen an der Spitze von Celesio geführt. Der neue Vorstand ist sich im Klaren, dass die negative Ergebnisentwicklung sehr viel Vertrauen beim Großaktionär, am Kapitalmarkt, aber auch im Unternehmen selbst gekostet hat. Wir haben deshalb schon Ende Oktober Maßnahmen ergriffen und uns klare Ziele gesetzt.

Was heißt das konkret?
Unser vorrangiges Ziel für 2012 ist, ein Ergebnis mindestens auf Vorjahresniveau zu erreichen. Und wir sind sehr zuversichtlich, dass uns das gelingen wird. Vom kommenden Jahr an wollen wir wieder profitabel wachsen.

Es gab ja immer wieder Spekulationen, dass sich Haniel von Aktienpaketen an Celesio trennen könnte.
Haniel und Celesio verbindet über viele Jahrzehnte eine enge partnerschaftliche Beziehung. Celesio wäre ohne Haniel nicht erfolgreich gewesen und Haniel nicht ohne Celesio. Haniel ist auch in den vergangenen schwierigen Jahren zu Celesio gestanden. Unser Verhältnis zu Haniel ist gut und konstruktiv in jeder Hinsicht.

Umso bemerkenswerter waren die Misstöne im vergangenen Jahr, als der komplette Celesio-Vorstand gegen Haniel rebellierte.
Da war ich noch nicht bei Celesio und möchte dies deshalb auch nicht kommentieren. Fest steht: unser Großaktionär unterstützt unsere Neuausrichtung und die damit verbundenen Investitionen. Allein für den Kauf von Oncoprod und die Komplettübernahme von Panpharma haben wir zusammen rund 340 Millionen Euro aufgewendet. Unser Restrukturierungsprogramm ist zudem mit etwa 100 Millionen Euro Einmalaufwendungen verbunden. Würden Sie als Großaktionär diesen Investitionen zustimmen, wenn Sie sich von Celesio möglichst schnell trennen wollten ?

Sie wollen Ihre Dienstleistungstöchter Movianto und Pharmexx sowie die Versandapotheke Doc Morris abstoßen. Wie weit ist der Verkaufsprozess gediehen? Wie viele Interessenten gibt es?
Wir liegen voll im Zeitplan. Wir haben immer gesagt, dass wir die Verkäufe im Wesentlichen innerhalb eines Jahres abschließen wollen. Wir halten es aber für wichtig, die richtigen Investoren zu finden, im Interesse der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. Deshalb wollen wir uns nicht unter Zeitdruck setzen. Wir haben für alle drei Objekte mehrere Interessenten, strategische Investoren, aber auch Finanzinvestoren. Über die Zahl der Kaufinteressenten möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht reden.

Statt Apothekern mit dem Doc-Morris-Versandhandel Konkurrenz zu machen, wollen Sie das Geschäft mit selbstständigen Partnerapotheken ausbauen. Wie ist die Resonanz?
Wir bekommen für unsere neue Strategie viel positives Feedback von den Apothekern. Wir haben viele Gespräche geführt, um noch besser auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können und gemeinsame innovative Lösungen zu entwickeln. Unser langfristiges Ziel ist der Aufbau eines europaweiten Netzwerks, in dem unsere eigenen Apotheken und die Partnerapotheken unter einem gemeinsamen Dach arbeiten. Ich bin überzeugt, dass Apotheken in Zukunft eine noch wichtigere Rolle in unserem Gesundheitssystem spielen werden als bisher.

Der Sparzwang im Gesundheitswesen wird weiter zunehmen. War der Vorstoß des alten Managements in neue Felder nicht doch richtig – etwa das Joint Venture Medco-Celesio, aus dem Sie nach kurzer Zeit wieder ausgestiegen sind?
Wir legen großen Wert auf die Entwicklung neuer und effizienter Lösungen, aber zusammen mit den Apotheken, nicht gegen sie. Mit dem Joint Venture, das vor meiner Zeit gegründet wurde, sollte die Betreuung chronisch Kranker verbessert werden, um Kosten zu sparen. Das Konzept ging nicht auf. Es wurden viele Millionen investiert, aber man hat nur eine Betriebskrankenkasse als Kunden gewinnen können. Darum sind wir ausgestiegen.

Hätte es nicht mehr Geduld gebraucht, bis sich die neuen Aktivitäten rechnen?
Wenn Millionen investiert werden, aber keine Gewinne oder gar Verluste folgen, hilft keine Geduld. Der Bereich Manufacturer Solutions mit Pharmexx und Movianto wurde zum Beispiel vor Jahren als neues Standbein gegründet. Dafür wurde viel Geld in die Hand genommen. Bis 2015 sollte ein operatives Ergebnis von 150 Millionen Euro erreicht werden. Im vorigen Jahr war es praktisch null. Trotzdem bin ich überzeugt, dass man die Geschäfte in dem Bereich erfolgreich entwickeln kann.

Warum tun Sie es dann nicht selbst?
Wenn Sie ein Kerngeschäft haben, das unter Druck geraten ist, und versuchen, dieses Problem durch den Aufbau neuer Geschäftsfelder zu lösen, ist das problematisch. Man muss dann sehr aufpassen, dass man im Kerngeschäft nicht mehr verliert, als man mit dem Aufbau einer neuen Sparte gewinnen kann. Erstes Ziel ist deshalb, das Kerngeschäft zu stabilisieren, das bis heute mehr als 98 Prozent unseres Ergebnisses liefert. Im zweiten Schritt wollen wir hier wieder profitabel wachsen. Darauf konzentrieren wir unsere Investitionen.

Ist der Brand schon gelöscht, oder schmort es noch ein bisschen?
Das Celesio-Ergebnis ging seit vier Jahren deutlich zurück. Allein im vergangenen Jahr waren es 120 Millionen Euro, fast 20 Prozent. Wir sind inzwischen aber gut unterwegs, unser operatives Ergebnis zu stabilisieren. Unser Effizienzprogramm greift, das können Sie den Zahlen für das erste Quartal entnehmen . Aber bis wir wieder zu profitablem Wachstum zurückkehren können, haben wir noch einiges an Arbeit vor uns.