Bei der Charity-Fight-Nacht in der Ludwigsburger MHP-Arena gibt es viele Überraschungen – und eine Enttäuschung für eine Lokalmatadorin.

Ludwigsburg - Dafür, dass es um 18 Uhr losgehen soll, sind noch nicht viele Plätze in der MHP-Arena besetzt. Der Moderator weist die umherwandelnden Gäste darauf hin, dass es in der Halle gleich „stockdunkel, also pechschwarz“ wird und sie sich lieber von der Bühne fernhalten sollen, weils da gleich knallt. Davor gibt’s aber noch kurz eine Videobotschaft vom Schwergewichts-Weltmeister Wladimir Klitschko, worin er sich dafür entschuldigt, dass er an diesem Samstagabend nicht dabei sein kann. Dann Countdown, Lichtshow, Kill-Bill-Musik und plötzlich heulen Feuerwerks-Raketen an der Hallendecke entlang und vor der Bühne sprüht es hell, mal wie bei einer riesigen Wunderkerze, mal wie bei einem Flammenwerfer. Die Band „Nu Addition“ spielt tapfer weiter, sie sind Teil des Panikorchesters von Udo Lindenberg. Wo ist der eigentlich heute?

 

„Wir erleben Schönes und tun Gutes“, umschreibt der Moderator den Charakter des Abends. Eintritt, Spenden und Tombola-Erlöse sind für gute Zwecke, zum einen für die SOS Kinderdörfer, für die sich der Boxer Luan Krasniqi einsetzt, zum anderen für Uwe Hücks Lernstiftung. Doch nicht alle Kämpfe heute Abend sind Charity-Kämpfe. Es gibt einen Weltmeister-Kampf im Thaiboxen, eine Titelverteidigung im Frauenboxen und bei den Herren möchte der 45-jährige Firat Arslan es nochmal wissen.

Klar im Vordergrund steht an diesem Abend jedoch Uwe Hück, der Porsche-Betriebsratsvorsitzende mit dem Boxer-Spitznamen „The heavy Hammer“. Vor zwei Jahren hat er schon einmal für den guten Zweck in der MHP-Arena geboxt. Damals verlor Hück nach Punkten gegen Luan Krasniqi. „Das hat mich noch mehr motiviert“, schreit der Hüne in die Arena. Die braucht er auch, denn sein Gegner ist ein ehemaliger Profiboxer aus Südafrika, Francois Botha. Er hat bereits gegen Axel Schulz und Klitschko geboxt, er wiegt knapp 20 Kilo mehr als Hück und ist mit 47 Jahren auch sechs Jahre jünger als Hück.

„Für unsere Jugend brauche in blaue Flecke“

Der gibt sich dennoch siegessicher: „Ich hab schlagkräftige Argumente“, sagt Hück. Außerdem: „Für unsere Jugend brauche ich blaue Flecken.“ Sagt er und stößt einen Schrei aus. Von seinem Mit-Initiator Luan Krasniqi bekommt Hück indes Lob: „Uwe hat sich zu einem richtigen Senioren-Boxer entwickelt“. Auch Regina Halmich, die ehemalige Box-Weltmeisterin, und an diesem Abend Co-Moderatorin lobt Hück: „Von diesem Körper können sich die 20-Jährigen noch eine Scheibe abschneiden.“

Für Hück gibt es dann vom Thaibox-Weltverband noch die Auszeichnung zum Sportler des Jahres – dabei hat er noch gar nicht geboxt. Zum Schluss des Vorgeplänkels schwärmen noch „Charity-Hummeln“ aus, wie es der Moderator nennt: junge Damen in schwarzen Abendkleidern, die Lose verkaufen. Ober-Hummel und Schauspieler Ralf Möller lobt auch nochmal Hücks Trainingsleistung. Später sollen noch Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone per Videobotschaft dazu kommen. Die Promis halten sich indes bedeckt. Wo steckt eigentlich Udo Lindenberg?

Unten im Ring geht es derweil zur Sache: Alexander Schmitt aus Heidelberg verteidigt seinen Thaibox-WM-Titel gegen Leo Bönninger. Nach fünf Mal zwei Minuten gewinnt Schmitt nach Punkten. Ein Sportjournalist beklagt, dass die Nummerngirls die Schilder mit der Rundenzahl vor sich tragen, statt sie über den Kopf zu heben, wie üblich. Anzügliche Pfiffe aus dem Publikum gibt’s trotzdem jedes Mal. Dafür tragen die „Jonny M Lady Messengers“, so heißen sie tatsächlich, den Namen ihres Fitnessstudios öffentlichkeitswirksam auf dem Gesäß.

Lokalmatadorinnen ohne Chance

Der zweite Kampf ist schneller vorbei als mancher sich eine Bratwurst holen kann: die Stuttgarterin Alesia Graf besiegt die Ungarin Marianna Gulyas in der zweiten Runde durch KO. Für die Ludwigsburger enttäuschend läuft der dritte Kampf: Özlem Sahin, Weltmeisterin im Minimumgewicht aus Ludwigsburg, verliert nach Punkten gegen die Philippinerin Gretchen Abaniel. „Es tut mir leid, in meiner Heimatstadt verloren zu haben. Ich bin nicht in den Kampf reingekommen“, sagt Sahin danach und verspricht: „Ich werde den Gürtel zurück nach Ludwigsburg holen“. Die Journalisten mutmaßen indes, welche Promis denn jetzt hier sind. Andrea Berg soll da sein, auch Wendelin Wiedeking. Der Rapper MC Fitti wurde gesichtet – vielleicht war es aber auch nur ein sehr bärtiger Hipster. Und wo ist eigentlich Udo Lindenberg?

Den vierten Kampf entscheidet Firat Arslan durch KO in der zweiten Runde für sich. „Ich wurde schon so oft abgeschrieben, aber ich bin immer noch da“, sagt der 45-jährige aus Süssen danach. Jetzt will er noch einen letzten Anlauf zum WM-Titel unternehmen. Ein drittes Duell gegen Marco Huck würde ihn reizen. Auf der Bühne befragt der Comedian Christoph Sonntag den Ludwigsburger OB Werner Spec. Ob Boxen auch eine Möglichkeit der Problemlösung im Gemeinderat wäre. Spec antwortet ähnlich humorlos, das kriegt man jedoch kaum mit, da unterdessen Uwe Hück durch den Saal läuft und sich von seinen Fans feiern lässt. Fäuste in die Höhe, Urschrei, Applaus, zwanzig Meter weiter das gleiche Spiel. So verpasst man auch, was der Chef der SOS Kinderdörfer über seine Organisation zu sagen hat.

Langsam füllen sich auch die vorderen Reihen – die Prominenten kommen aus ihrem VIP-Stall. Man sieht die SPD-Politiker Claus Schmiedel und Nils Schmid. Der neue Porsche-Chef Oliver Blume ist auch da. Mit denen will aber niemand ein Selfie machen – die meisten Frauen zieht es dann eher zu Ralf Möller und seinem Schauspiel-Kollegen Marc Keller. Udo Lindenberg ist noch immer nicht zu sehen, dafür ein paar Doubles.

Das Haupt-Event enttäuscht eher

Endlich ist es soweit: der Kampf, auf den alle gewartet haben: Hück gegen Botha. Heavy Hammer gegen White Buffalo. Im Vergleich zu den vorherigen Profi-Kämpfen, bei denen es auch um etwas ging, enttäuscht der Schlagabtausch jedoch. Nur vorsichtig puffen die Kontrahenten sich zuerst an, Hück dreht in der zweiten Runde auf und drischt Botha in die Seile. „Das sieht ja richtig nach Boxen aus“, sagt ein Sportjournalist, der Hück schon 2013 kämpfen sehen hat. Botha indes wehrt sich kaum, lächelt sogar, wenn er Treffer einsteckt oder Hück ihn provoziert. Am Ende entscheiden die Schiedsrichter überraschenderweise auf ein Unentschieden. Es gibt Feier-Musik, Goldglitter aus der Kanone und die Ankündigung, dass es einen Rückkampf in Südafrika geben soll. Ach ja: Hück wird nebenbei noch Ehrenpräsident des Boxverbands in Südafrika.

Auch der letzte Kampf birgt eine Überraschung: Luan Krasniqi schlägt den Briten Danny Williams KO. Krasniqis letzter richtiger Boxkampf liegt sieben Jahre zurück, für Williams hingegen soll dieser Fight der letzte seiner Karriere sein – und er verliert ihn durch KO in der vierten Runde. Trotz dieses Überraschungserfolgs will Krasniqi beim Charity-Boxen bleiben, da ist er ja auch selbsternannter Charity-Weltmeister. Ein Comeback ins Profiboxen kann er sich nicht vorstellen. Hück und Botha müssen jetzt in Südafrika entscheiden, wer Krasniqi den neu erfundenen Titel streitig machen darf.