Christoph Daum Eine VfB-Beichte zum 70. Geburtstag

Christoph Daum blickt in einer Dokumentation auf sein bewegtes Leben und auch seine Zeit beim VfB zurück. Foto: dpa/Bernd Thissen

Der ehemalige VfB-Trainer Christoph Daum wird 70. Zum Jubiläum erscheint eine Dokumentation über sein Leben, in der er nach über 30 Jahren berichtet, wie es zum berühmten Wechselfehler gegen Leeds United kommen konnte.

Sport: Philipp Maisel (pma)

70 Jahre wird Christoph Daum an diesem Dienstag alt. Der große Tag wird – ganz Daum-like – auch groß gefeiert. 200 Gäste hat der Meistertrainer des VfB Stuttgart von 1992 nach Köln erst in ein Kino, dann zum Brasilianer geladen. Im Kino werden Ausschnitte aus der am 27. Oktober bei „Sky“ erscheinenden Dokumentation „Daum – Triumphe & Skandale“ gezeigt, die sich seinem Leben widmet. Und dann wird groß aufgetischt.

 

Wenige Menschen haben so viel Leben in sieben Jahrzehnte gepackt wie Christoph Daum, der einst in Zwickau geboren wurde. Er war der wortgewaltige und streitlustige Meistertrainer, ein großer Entertainer, beinahe Nationaltrainer, wurde verehrt wie ein Heiliger. Einerseits. Und es gab die langen dunklen Phasen, andererseits: den Kokain-Skandal, der sein bereits beschlossenes Wirken als Bundestrainer zunichte machte, die folgenden öffentlichen Anfeindungen, den Kampf gegen den Krebs. Der wohl schillerndste und zugleich streitbarste Bundesliga-Trainer der Geschichte bereut wenig. „Ich stehe zu den Dingen, die ich gemacht habe. Klar, einige hätte ich gerne ausgelassen, aber sie gehören zu meiner Vita dazu. Das nennt man Leben“, sagt Daum in der Dokumentation.

Christoph Daum – markante Vita mit Stuttgarter Vergangenheit

70 Jahre, zwei Ehen, vier Kinder, zwei Krebsdiagnosen, 22 Chemotherapien und insgesamt zehn Titel in drei Ländern mit vier Clubs – das sind die markanten Zahlen der Daum’schen Vita. Seinen ersten Titel überhaupt errang er mit dem VfB Stuttgart 1992. Es war seine zweite Trainerstation, 1990 holte ihn Gerhard Mayer-Vorfelder nach Stuttgart, zuvor war Daum in Köln tätig – wo er sportlich erfolgreich war und sich heftige verbale Scharmützel mit den Bayern-Granden Uli Hoeneß und Jupp Heynckes geliefert hatte.

„Der Motivationskünstler vom Rhein, König von Stuttgart will er werden. Noch nicht einmal eine Woche ist er hier, eines hat er bereits beschafft – die Massen mobilisiert“, kommentiert ein Sprecher aus dem Off die ersten Szenen der Dokumentation, die sich mit Daums Zeit beim VfB befassen. Sein erstes Pflichtspiel bestritt er mit dem VfB gegen den „Effzeh“ aus Köln – Endstand 3:2 nach 0:2-Rückstand. Über 35 000 Zuschauer sahen damals das Spektakel im Neckarstadion.

Guido Buchwald und Karl Allgöwer berichten von Daums Motivationskünsten – Letzterer erzielte den Siegtreffer. Und das mit dem Kopf, alles andere als Allgöwers Stärke. Dass es so kommen konnte, lag an einem Kniff Daums. Der beorderte Allgöwer als Stürmer nach ganz vorne. „Ich hab’ zu ihm gesagt: Karl, du kannst das. Geh da hin und halte deine Birne rein!“ So kam es. „Alle meine rund 300 Bundesliga-Spiele davor habe ich weiter hinten gemacht. Nur das eine nicht“, erinnert sich Allgöwer – und schon klappte es mit dem Köpfchen. „Das war die Wende für den VfB. Von da an ging es nur noch aufwärts – bis hin zur Meisterschaft eineinhalb Jahre später“, so Allgöwer weiter.

Den Hauptteil der VfB-Passage der Dokumentation nimmt natürlich der Titelgewinn 1992 ein, mit dem dramatischen letzten Spieltag in Leverkusen und dem Platzsturm, der den Schiedsrichter Hans-Peter Dellwing schließlich zum Abpfiff zwang – obwohl die Partie eigentlich noch gar nicht beendet war. Zuvor wird ein dezidierter Blick auf Daums Schachzug geworfen, nach dem Platzverweis gegen Matthias Sammer die beiden Offensivkräfte Maurizio Gaudino und Fritz Walter vom Platz zu nehmen und dafür Manfred Kastl und Eyjolfur „Jolly“ Sverrisson zu bringen. Eine taktische Variante, die letztlich Buchwalds Aufrücken in den Strafraum mit initiierte und das Siegtor brachte. Sammer nennt den Schachzug schlicht „genial“.

So kam es zum folgenschweren Wechselfehler gegen Leeds United

Ein Highlight stellt dann aber auch die Passage zum legendären Wechselfehler gegen Leeds United dar. Der VfB setzte sich eigentlich dank dem 3:0-Heimsieg und dem 1:4 an der Elland Road durch und war damit für die nächste Qualifikationsrunde zur damals erstmals stattfindenden Champions League qualifiziert. Doch in der 83. Minute beging Daum einen folgenschweren Fehler. Er wechselte Jovica Simanic ein. Die Stuttgarter brachten das Resultat zwar über die Runden, die Freude hielt allerdings nur kurz an. Denn Simanic war der vierte Ausländer auf dem Feld, erlaubt waren damals aber nur drei. Adrian Knup aus der Schweiz, der Isländer Sverrisson und der Jugoslawe Slobodan Dubajic waren bereits auf dem Platz gestanden.

„Diese Regel war damals noch recht neu“, erinnert sich Daum. Dass es überhaupt so kommen konnte, bezeichnet er als seinen „Fehler, ich hätte das wissen müssen“ und verriet zudem gleich noch den Grund für seinen Fauxpas. „Es gab dazu ein Rundschreiben der Uefa an alle Trainer. Der Brief lag in meinem Postfach. Doch ich bin das Postfach nicht durchgegangen. Ich habe den Brief nicht gelesen.“ Schließlich legte Leeds United – die Engländer hatten den Fehler zuerst gar nicht bemerkt – Protest ein. Der Verband setzte ein Entscheidungsspiel auf neutralem Platz an, der VfB verlor, Daums Zeit beim VfB war vorbei.

Neben der Meisterschaft mit dem VfB gewann Daum auch mit Austria Wien in Österreich und den beiden türkischen Traditionsklubs Besiktas und Fenerbahce den nationalen Ligatitel, in Istanbul wird er bis heute verehrt. Denkbar knapp scheiterte er dagegen mit Bayer Leverkusen durch ein 0:2 am letzten Spieltag bei der SpVgg Unterhaching. Die Rettungsmission bei Eintracht Frankfurt im Mai 2011 misslang.

Seine Karriere beendete Daum 2017 nach einem schwierigen Jahr als rumänischer Nationaltrainer. „Ich habe alle Erwartungen, die ich an mein Leben gestellt habe, bei weitem übertroffen. Ich habe ein Leben auf der Überholspur geführt“, sagt Daum. Auch wenn es so manches Mal gekracht hat.

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