Clint Eastwoods "Hereafter" will uns davon überzeugen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Von Selbstironie findet sich da keine Spur.

Stuttgart - Wenn es mich nicht schon gäbe, man müsste mich schleunigst zeugen." Diese unoriginell eitle Gewissheit der eigenen Besonderheit, Bedeutung und Zentralposition im Universum hat jeder schon ab und an verspürt. Wir können uns zwar zur Not vorstellen, dass andere uns nicht ganz so wichtig nehmen wie wir uns selbst, aber eine Welt ohne uns scheint zumindest Menschen mit jenem Maß an Ehrgeiz, das man gern gesund nennt, unvorstellbar.

Wir müssen wie alle Menschen vor uns sterben, haben wir einerseits gelernt, und sehen uns doch bei jedem Blick in die ferne Zukunft irgendwie anwesend. An eine Welt ohne uns können wir nicht glauben, paradoxerweise aber an uns selbst ohne vertraute Welt. Ein Paradies, eine Hölle, ein Jenseits, höhere Sphären, andere Schwingungsebenen, Geistergefilde und Astralbiotope legen wir uns zurecht, um den Tod nicht als bloßes Verlöschen akzeptieren zu müssen.

Die amerikanische Kinolegende Clint Eastwood ist achtzig Jahre alt, und gute Gesundheit sei dem weltoffen wertkonservativen Schauspieler, Regisseur und Musiker noch lange gewünscht. Aber mit achtzig darf man auch schon einmal daran denken, dass man nicht mehr unbedingt mathematisch genau in der Mitte des Lebens steht, dass viel weniger vor als hinter einem liegt, dass man sich auf die große Nebelgrenze zum Nichts zubewegt. Und man darf auch darüber grübeln, ob das Ende des Körpers das Aus für den Geist oder dessen Freisetzung bringen wird. Daran ist nichts komisch, peinlich oder albern. Befremdlich wird es nur, wenn aus der eigenen Unsicherheit ein drängender Aufklärungswille hervorgeht, wenn das Nichtwissen schiefe Lehrsätze gebiert und der Blick in den Nebel als Klarsicht gepriesen wird.

Wer achtzig ist, darf das


Clint Eastwoods neue Regiearbeit "Hereafter - Das Leben danach", die auf einem Drehbuch des Briten Peter Morgan ("The Queen") fußt, unternimmt die Ehrenrettung des Spiritismus, will uns die Kontaktmöglichkeit zu Verstorbenen glaubhaft machen und die Beweislage für kleine Gucklöcher zwischen Diesseits und Jenseits für hinreichend erklären. Von Humor und Selbstironie findet sich da keine Spur. Der Ton ist düster und tragisch, und manchmal schimmert ein bisschen vorweggenommenes Eingeschnapptsein durch. Eastwood weiß, dass viele Zuschauer den Erkenntnisprozessen seiner Figuren nicht zustimmend folgen werden, und er erklärt die Zweifler, die Spötter und die Genervten deshalb vorab für kleingeistig, kleinmütig, vernagelt und verstockt.

"Hereafter" erzählt in drei Handlungssträngen vom Kontakt ins Jenseits. Ein Strang folgt der französischen TV-Journalistin Marie LeLay (Cécile De France), die bei einem Asienurlaub den Tsunami knapp überlebt. Sie war schon unter Wasser gerissen worden, vom Treibgut ohnmächtig geschlagen, sie hatte die Hand des fremden Kindes, das sie retten wollte, loslassen müssen, ihre Atmung hatte lange ausgesetzt. In einem wabernden, dunklen Gefilde verzerrter Perspektiven ist sie einer Menge wartender, nicht unfreundlicher, allenfalls verstörter Gestalten begegnet, im klassischen Szenario der am anderen Ufer Angekommenen, die an der Grenze von Toten- und Lebendenreich verharren. Marie kann den Eindruck nicht vergessen, sie sitzt gedankenverloren vor laufender Kamera im Studio, sie beginnt zu recherchieren.

Der zweite Handlungsstrang erzählt vom Jungen Marcus (Frankie McLeod) aus einer angeschlagenen Londoner Familie, der bei einem Unfall seinen Zwillingsbruder verliert und der als Fürsorgemündel zu Pflegeeltern kommt. Denen stiehlt er Geld, um Medien und Totenbeschwörer in Dienst nehmen zu können. Er sucht weiterhin die Hilfe und Nähe seines Bruders.

Mit grimmigem Pragmatismus


Der dritte Erzählstrang schließlich zeigt von Anfang an, wo Eastwood und Morgan stehen. In ihm lernen wir den Arbeiter George (Matt Damon) kennen, der zu Verstorbenen Kontakt aufnehmen kann. Den Belastungen dieser Gabe, dem Leid der Gläubigen und dem Hohn der Ungläubigen würde er am liebsten entfliehen, aber der harte Jobmarkt zwingt George, seine Fähigkeit zu vermarkten.

Äußerlich kommt "Hereafter" fast wie Eastwoods Krimi "Mystic River" daher, pragmatisch-grimmig will er die Bereitschaft vermitteln, sich allem zu stellen, frei nach dem Motto: Schauen wir mal hin, wo man sonst wegschaut! Aber trotz rührender Momente bestimmen manipulative Strenge und arge Naivität den Film.

Marie LeLay etwa sitzt an der Arbeit zu einem Buch über François Mitterand, als sie von ihrem anderen Interesse überwältigt wird. Also ruft sie die Suchmaschine auf, tippt ein paar Begriffe ein und klickt einen der ersten Treffer an. Was sich aufbaut, sieht zwar aus wie schlechte Werbung für jämmerliche Heilwässerchen, aber LeLay glaubt, dass sie dieser Seite vertrauen kann, trifft deren Autorin, eine hospizerfahrene Ärztin, und wird von ihr bei einem Besuch sofort als innige Vertraute behandelt. Mit einem ganzen Karton Aufzeichnungen voll intimster Details Verstorbener darf die Journalistin die Klinik verlassen. Es geht ja um die gute Sache.

Man soll sich dem Munkeln und Raunen ausliefern


Ähnlich simpel verläuft die nur scheinbar komplexe Reise von Frankie. Der Junge gerät zwar immer wieder an Betrüger, aber sein Leben als Ausreißer, seine Kontakte zu den Pflegeeltern interessieren Eastwood und Morgan nicht besonders. Ihnen geht es um dem Moment, als ein Windstoß Frankie im Gedränge einer U-Bahn-Station die geliebte Mütze vom Kopf reißt, die dem Bruder gehört hat. Er sucht sie im Gewirr der Beine und verpasst seine Bahn, die gleich darauf bei einem Terroranschlag im Tunnel explodiert.

So stellt Eastwood sich jenseitiges Eingreifen vor, vermeidet aber die Frage, welches Licht solche Hilfe auf all jene Leben wirft, in denen diese Hilfe eben nicht erfolgt. Man soll hier nicht denken und zweifeln, man soll sich dem Munkeln und Raunen ausliefern. Immerhin, Eastwood schaltet keine teure Anrufnummer wie die Kartenlegershows im Ramschfernsehen.

Hereafter. USA 2010. Regie: Clint Eastwood. Mit Matt Damon, Cécile De Paris, Frankie McLeod. 128 Minuten. Ab 12. Von Donnerstag an im Metropol