Die deutschen Handballer stehen am Samstag in Magedeburg vor einem richtungsweisenden Spiel. Gegen Polen geht es um die Qualifikation zur WM 2015 – und Michael Kraus will seinen Beitrag dazu leisten.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Sein Stern ist 2007 bei der Heim-WM in Deutschland aufgegangen, die mit   dem Wintermärchen endete: dem Weltmeistertitel. Gegen Polen. Jetzt schließt sich der Kreis. In einem Handballfinale der anderen, nicht minder wichtigen Art. Den Play-offs um die WM-Qualifikation – wieder gegen Polen. Und Michael Kraus ist zurück im Nationalteam, recht eindrucksvoll, wie die knappe 24:25-Niederlage im Hinspiel gezeigt hat. Wie sagte der TV-Kommentator in Danzig? „Er tut der Mannschaft gut.“ Zwar hatte sein Auftritt vergangenen Samstag durchaus Höhen und Tiefen, doch als das Spiel nach der Pause zu kippen drohte, drehte Kraus mit drei seiner fünf Tore nochmals auf. „Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst“, sagt der inzwischen 30-Jährige. „Und ich fühle mich in der Rolle sehr wohl.“

 

Genau deshalb hat der Bundestrainer Martin Heuberger den Göppinger zurückgeholt, um in kritischen Phasen die nötige Erfahrung auf dem Feld zu haben. Die hatte Kraus einst in mehr als 110 Länderspielen gesammelt oder auch beim Champions-League-Sieg seines Ex-Clubs HSV Hamburg 2013, zu dem er sechs Treffer gegen Barcelona beisteuerte. Dennoch musste er dort gehen. Der „Bravo“-Boy des Jahres 2000 galt ja immer als einer, der sein Talent „verschludert hat“, wie es der Ex-Bundestrainer Heiner Brand einmal ausdrückte, unter dem Kraus 2007 – etwas überzogen – zum wertvollsten Spieler des WM-Turniers gekürt wurde.

Als er dann von Göppingen aus in die vermeintlich große Handballwelt zog (erst Lemgo, dann Hamburg) hatte „Mimi“ oft Heimweh nach den Freunden, verbrachte (zu) viel Zeit auf der Autobahn und verpasste dadurch manches Training oder zerlegte auch mal einen Porsche. Das alles war der Leistung nicht förderlich, die nur noch selten aufblitzte. Weshalb sich auch das Comeback im Nationalteam nach drei Jahren hinauszögerte, „der Bundestrainer war sich eben nicht ganz sicher“, gibt Kraus zu, „aber als es das Gespräch gab, war eine Absage kein Thema“.

Kraus behält kühlen Kopf

Dabei war zuletzt selbst die Rückkehr zu seinem Heimatverein Frisch Auf Göppingen und seinem Mentor Velimir Petkovic keine Erfolgsgeschichte. Kraus: „Die Saison verlief, vorsichtig gesagt, unglücklich.“ Bei der Mannschaft im Allgemeinen und bei ihm im Besonderen. „Wir hatten das volle Programm mit Trainerwechsel und unzufriedenen Spielern, weil wir auf manchen Positionen dreifach besetzt waren – so funktioniert eine Mannschaft nicht.“ Er selbst verlor seinen Stammplatz als Mittelmann vorübergehend an den Nationalmannschaftskollegen Tim Kneule, an dessen Seite er in Danzig begann, auf der halblinken Position. „Das ist immer eine Alternative“, sagt Kraus, weil er das Spiel dadurch schneller machen kann.

Was vor einer Woche recht gut gelang. In der ersten Hälfte führte die DHB-Auswahl schon mit fünf Treffern (10:5). Doch nach sechs Gegentoren in Folge nach der Pause zeigte sich eben auch, dass die junge Mannschaft, vielleicht auch der unter Erfolgsdruck stehende Trainer, nach wie vor nicht so gefestigt ist, um kurzfristig reagieren zu können. Kraus war da der Einzige, der weitgehend kühlen Kopf behielt – und er war am Ende bester Werfer des Teams.

Kraus, der Allrounder

Der Göppinger hat dabei den Vorteil, nur im Angriff eingesetzt zu werden, den Defensivpart übernimmt Lemgos Hendrik Pekeler. Der Wechsel klappt fast schon perfekt, nicht nur deshalb meint Kraus: „Ich fühle mich mit der Mannschaft wohl, und ich glaube, auch die Mannschaft mit mir.“

Schön gesagt. Das klingt für den werdenden Vater auch sportlich nach einer harmonischen Beziehung. Während der Torhüter Johannes Bitter sein Comeback von vornherein auf die Play-offs beschränkt hatte, ist Kraus nochmals hochmotiviert. „Solange ich der Mannschaft helfen kann, bin ich dabei. Und natürlich will ich noch ein paar große Turniere spielen“, sagt Kraus, nachdem zuletzt nicht nur der Schwabe gefehlt hat, sondern die Mannschaft Olympia und EM verpasste: „Das war nix.“ Und falls es wieder nicht klappt? „Daran verschwenden wir keinen Gedanken“, sagt Kraus vor dem Rückspiel am Samstag (15.15 Uhr/ZDF), auch wenn er zugibt: „Das ist ein gefährliches Ergebnis.“

Doch die Spieler setzen auf den Magdeburg-Effekt und das aus der Bundesliga bekannte Publikum, das extra ausgewählt wurde, obwohl die Mannschaft locker auch eine größere Halle hätte füllen können, als die Getec-Arena mit ihren – natürlich ausverkauften – 7000 Plätzen. Der DHB-Vizepräsident Bob Hanning sagt: „Die Halle ist für drei bis fünf Tor gut.“ Michael Kraus aber auch. Und das ist am Samstag mindestens genauso wichtig.